
© Jim Rakete
ZUR PERSON: „Ich wollte mich einfach nur äußern“
Klaus Hoffmann vor seinem Potsdamer Konzert über Geschichten, Einsamkeit und das richtige Lied
Stand:
Herr Hoffmann, was macht für Sie eine gute Geschichte aus?
Sie muss unterhalten und gleichzeitig etwas enthalten, das man kennt, aber das man noch tiefer kennenlernen möchte. Spannend, finde ich, ist ein blödes Wort. Denn manchmal können uns auch langweilige Dinge rückblickend bewegen. Eine gute Geschichte muss einfach ansprechend sein.
Als Sänger, Liedermacher, Schauspieler und Schriftsteller sind Sie ein Geschichtenerzähler. Wann haben Sie diese Gabe in sich entdeckt?
Im Grunde habe ich schon als Kind das gemacht, was ich auch am Samstag bei meinem Auftritt in Potsdam tun werde: Geschichten in mir zu finden, zu erfinden und zu erzählen. So habe ich schon im Hort vor den Kindern gestanden und erzählt. Zum Teil war ich isoliert und zog mich zurück, gleichzeitig suchte ich aber auch Kontakt, so widersprüchlich das auch klingen mag. Über die Geschichten konnte ich das tun, konnte so meine Welt erzählen, wie ich sie mir aus dem Kino und den Büchern vorstellte. Da habe ich dann meinen eigenen Faden gesponnen.
Und wann entschieden Sie sich, damit auf die Bühne zu gehen?
Das entstand in den 60ern aus reiner Not. Ich musste hier in Berlin eine Lehre zum Außenhandelskaufmann machen, aber ich wollte mich einfach nur äußern. Mein Schweigen war für mich nur noch belastend. Und in den Klubs war man ständig umgeben von Leuten, die etwas zu sagen hatten. Bunte Vögel, die zur Gitarre sangen, auch schon in Deutsch. Das war gerade für meine Generation nach der großen Schweigsamkeit unserer Eltern nach dem Krieg und in den 50er-Jahren sehr wichtig. Im Grunde war es nur logisch, dass sich das, was ich als Kind begonnen hatte, fortsetzte und zur Gitarre griff.
War das Singen für Sie damals eine Form von Befreiung?
Ja, und komischerweise hat das bis heute nicht aufgehört. Das ist eine Mischung aus Anspannung und Befreiung, wenn ich da auf der Bühne stehe und dann mit meinem Monodialog beginne. Da erfahre ich eine Art Bestätigung meiner Weltsicht, wie ich es im privaten Leben nie erleben werde.
Die Weltsicht, die Sie in Ihren Liedergeschichten offenbaren, müssen immer erst in die passende Form gebracht werden. Wie finden Sie diese Form?
Es gibt Lieder, da weiß ich, obwohl ich die noch gar nicht geschrieben habe, dass die mich mehr fordern und dann auch tiefere Lieder sein werden. Ob sie dann gut sind oder schlecht, das kann ich da noch nicht sagen. Aber es sind wichtige Lieder. Ich schreibe und arbeite gleichzeitig etwas in mir ab. Das ist immer ein sehr eigenartiger Vorgang.
Würden Sie sich als ein Suchender bezeichnen?
Ja, das ist schon komisch. Den New Yorker Schriftsteller Paul Auster habe ich nie gemocht, weil er in seinen Romanen immer die Themen anging, die ich strapaziert fand. Ich wollte immer das lesen, was ich bei Hemingway und anderen Amerikanern fand, etwas Tiefes, Festes. Bei Auster hat mich immer gestört, dass er so viel sucht. Dabei bin ich selbst einer, der unentwegt danach sucht, sich selbst in einer Geschichte, einem Lied oder einem Wort zu treffen. Und wenn dir das nicht gelingt, bist du einfach nicht zufrieden.
Sind Sie zufrieden, wenn Sie sich so gefunden haben?
Das kann ich gar nicht sagen. Ich glaube, ich laufe um das Eigentliche auch herum. Aber es ist gut, diesen Weg zu beschreiben, der immer noch ein sehnsuchtsvoller Weg ist.
War Ihre Reise nach Afghanistan Ende der 60er-Jahre, die Sie in Ihrem Buch „Afghana“ verarbeitet haben, auch so ein sehnsuchtsvoller Weg?
Zuerst einmal war diese Reise ein Aufbruch und auch eine bewusste Trennung von meiner Familie, also von meiner Muter, meinem Stiefvater und Stiefbruder. Ein Befreiungsschlag, den ich schon nach kurzer Zeit bereute, weil ich ein entsetzliches Heimweh bekam. Ich hatte gedacht, die Freiheit, die ich da suche, ertrage ich. Aber das war das Problem. Ich habe sie überhaupt nicht ertragen. Es war ja damals die Zeit eines allgemeinen Aufbruchs, viele hat es nach Goa gezogen. Mir wurde aber bald klar, dass ich gar nicht so weit hätte reisen müssen. Es hätte auch Griechenland sein können. Es ging einfach nur um Distanz von dieser Enge hier in Berlin. Aber die Sehnsucht nach der Freiheit bleibt.
Finden Sie diese Freiheit jetzt im Schreiben von Liedern und Büchern?
Ja, und das im Buch noch viel stärker, obwohl es mich ja viel mehr versammelt und einengt. Aber da ist dann die große Freiheit, sich auf nichts anderes einzulassen als auf den Moment. Aber vielleicht ist das auch der Moment, den ich als Junge mit meiner Einsamkeit verbunden habe. Die einerseits eine Last war, gleichzeitig aber auch ein Geschenk, weil da nichts anderes war und ich mich absolut darin verlieren konnte.
Für Ihre Geschichten, die Sie sich ausdachten?
Eine Art Verinselung, um auf eine ganz eigene Reise zu gehen.
Warum waren Sie als Kind einsam?
Mein Vater ist früh gestorben. Vorher war er lange krank. Ich lebte in Berlin Charlottenburg, war ein behütetes Kind und gleichzeitig ein Straßenjunge, der sich mit einer enormen Fantasiebereitschaft in die Welt warf, um was Neues zu finden. Als Einsamkeit habe ich das damals gar nicht empfunden. Erst später, als ich darunter litt, auf mich allein zurückgeworfen zu sein. Als Kind war ich nicht anders als meine Kumpane. Ich habe nur andere Wege gesucht und in mir andere Räume für die Fantasie geöffnet.
„Als wenn es gar nichts wär“ ist der Titel Ihrer Autobiografie und Ihres Programms im Nikolaisaal, bei dem Sie Lieder aus vier Jahrzehnten vorstellen. Lieder, in denen Sie sich auch offenbaren und so verletzlich sind?
Das ist immer eine Gradwanderung zwischen Narzissmus und die Bestätigung durch den Erfolg auf der einen und dann das Sich-Öffnen, die Gefahr, gekränkt zu werden auf der anderen Seite. Aber ich habe schon immer zensiert, mich nie eins zu eins, sondern nur Stück für Stück offenbart. In „Als wenn es gar nichts wär“ ist das die Verdichtung von allem. Meine Biografie, meine Lieder, auch Improvisation. Im besten Fall provozieren wir bei den Besuchern ein Kopfkino und die sehen dann einen Typen, der loszog, sein Glück zu versuchen. Viel Berliner Geschichten von früher und heute, Ost und West und hoffentlich immer das richtige Lied.
Das Gespräch führte Dirk Becker
Klaus Hoffmann ist am morgigen Samstag, 20 Uhr, zusammen mit dem Pianisten Hawo Bleich im Nikolaisaal in der Wilhelm-Staab-Straße 10/11 zu erleben
Klaus Hoffmann, geb. 1951 in Berlin, ist Sänger, Schauspieler, Schriftsteller und Liedermacher.
Ab 1967 absolvierte Hoffmann eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann. In diese Zeit fallen auch seine ersten Auftritte als Liedermacher in Berliner Szenekneipen. Ab 1970 ließ sich Hoffmann an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin zum Schauspieler ausbilden, 1974 erhielt er ein Engagement an der Freien Volksbühne Berlin.
Mit „Klaus Hoffmann“ erschien 1975 sein erstes Album. Einem breiten Publikum wurde Hoffmann durch die Titelrolle in der Verfilmung von Ulrich Plenzdorfs „Die neuen Leiden des jungen W.“ bekannt, für die er zahlreiche Auszeichnungen erhielt.
Klaus Hoffmann, der als führender deutscher Interpret des belgischen Chansoniers Jacques Brel gilt, lebt in Berlin.
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