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Kultur: Ideenreiche Sängerin

Gabriele Näther in der Reihe „Zur Person“ in der Fahrländer Mühlenbaude zu Gast

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Gabriele Näther in der Reihe „Zur Person“ in der Fahrländer Mühlenbaude zu Gast Von Almut Andreae Sie kann nicht Nein sagen, wenn man sie irgendwo will. Und sie ist denn auch mit offensichtlichem Vergnügen der Einladung des Brandenburgischen Kulturbund e.V. und des Bürgervereins Fahrland und Umgebung e.V. zu einem Gesprächsabend in die Mühlenbaude Fahrland gefolgt. Gabriele Näther, die Potsdam mittlerweile seit Jahrzehnten mit ihrer Sangeskunst beehrt, präsentierte sich an dem von Carla Villwock, Geschäftsführerin des Brandenburgischen Kulturbund e.V., moderierten Abend von einer ganz persönlichen Seite. Über ihre Kindheit in der Oberlausitz, ihre musikalischen Anfänge und die schon recht früh einsetzende Wandlung von der Klavierspielerin zur Sängerin gab die Sopranistin so mancherlei Überraschendes preis. So die ihre spätere Zukunft entscheidend prägende Vision, ja Gewissheit der Mutter, dass in Gabriele eine Musikerin mit besonderer Zukunft stecke. Worauf das Töchterchen ihre Klavierstunden erhielt, denn so Gabriele Näther: „Ich war ein braves Kind und bin diesen Weg gegangen“. Als das Kind eines Tages Gesangsnoten in die Hände gedrückt bekam, geschah das Unerwartete. Sie, die bis dahin auf dem Klavier keine wirklichen Wunder vollbracht hatte, sang mir nichts dir nichts vom Blatt: Lieder, Arien, darunter die „Königin der Nacht“. Das Singen hat sie seither nie mehr losgelassen. Genau vier Chancen – so viel wie es in der DDR Musikhochschulen gab – hatte die junge Frau, als sie Neugersdorf verließ, um sich auf den Weg zu machen. Und siehe da, das Glück war auf ihrer Seite: in Dresden hat es mit der Bewerbung geklappt, weil – so Frau Näthers lakonische Einschätzung der Situation aus heutiger Sicht – „ich das klassische Arbeiterkind war“. Ist es Koketterie mit dem eigenen schlummernden Talent, wenn sie sich weiter als die unbedarfte Schülerin beschreibt? Die übrig blieb, weil kein Lehrer sie wirklich wollte? Um dann zu guter Letzt an genau jene Lehrerin zu geraten, der sie im Rückblick alles verdankt! Jedenfalls schien seitdem das Glück von Gabriele Näther so gut wie gemacht. Auch und obwohl ihr „chaotisches Studium“ sie irgendwann von der Hochschule Dresden nach Berlin wechseln ließ. 1974 war Gabriele Näther durchs Nadelöhr durch: „Seit Potsdam ging bei mir alles glatt!“ Bis heute gehört sie dem Ensemble des Hans Otto Theaters an. An die glanzvollen Jahre vor allem im Schlosstheater, wo sie u. a. mit den teilweise um die hundertmal aufgeführten Inszenierungen der Opern Mozarts einen Höhepunkt nach dem anderen erlebte, denkt Gabriele Näther voller Dankbarkeit zurück. Unter Peter Brähmig hat sie ihre lang gehegte Scheu vor der Bühne, besonders vor dem darstellerischen Bereich, die noch aus Studienzeiten herrührte, nach und nach überwunden. Dennoch – und das wird für den ein oder anderen in der Fahrländer Mühlenbaude eine weitere Überraschung gewesen sein – dennoch wäre die Näther im Grunde ihres Herzens „lieber Konzertsängerin geworden als an die Bühne zu gehen“. Letzten Endes wird sie beides nicht missen wollen: ihre Jugendjahre auf der Bühne genauso wenig wie die Ära danach, in der sie mit wachsender Begeisterung den Konzert-, Oratorien- und Liedgesang für sich entdeckte. Die Zäsur kam mit der Wende, als auch in Potsdam die Karten neu gemischt wurden und Gabriele Näther mit der Hinwendung zum Lied, zur Alten und Neuen Musik in anderes Fahrwasser geriet. Darüber, dass sich nach 1989 für sie fast alles änderte, ist die von Natur aus bewegliche Sängerin mit sich im Reinen. Näther, die ihr Leben vor und nach der Wende als „total unterschiedlich“ bezeichnet, zieht nach 15 Jahren für sich eine positive Bilanz. Die Tatsache, dass sich damals, nach dem Fall der Mauer, einige Türen plötzlich schlossen und sich an völlig anderer Stelle neue Türen überraschend öffneten, hat sie von Anfang an für sich zu nutzen gewusst. Eine dieser Türen war die Möglichkeit zu reisen. Die weit herumgekommene Kammersängerin erzählt in der Mühlenbaude von ihren Erlebnissen landauf, landab und im fernen Lateinamerika. Eine weitere Tür, die sich mit der Wende für immer weiter zu öffnen begann, führte Gabriele Näther u.a. auf den Weg zur Kirchenmusik. Während ihres Theaterengagements, das sie zu DDR-Zeiten voll ausfüllte, hatte die Gelegenheit dazu gefehlt. Vielleicht hätte der Zeitpunkt für eine musikalische Neuorientierung aber auch nicht besser gewählt sein können. Für die gereifte Stimme der Kammersängerin entpuppte sich gerade der Konzert-, Lied- und Oratoriengesang als eine Offenbarung. Und wie schon so oft in ihrem Leben begegneten Gabriele Näther auch jetzt wieder zur rechten Zeit die richtigen Menschen: Musiker, die mit ihr die Liebe zur Alten Musik teilten und mit denen sie in der Folge gemeinsam neue Wege beschritt. Der Cembalist Jürgen Trinkewitz ist einer von denen, mit dem sie von Stund an zu einer glücklichen Symbiose fand. Gemeinsam bilden sie das Ensemble „La voce umana“ und nahmen dabei auch Niklas Trüstedt mit seiner Viola da Gamba mit in ihr Boot. Heute blickt Gabriele Näther auf unzählige Konzertreisen und Engagements zurück, die sie außer mit besagtem Ensemble sowohl solistisch als auch mit anderen Gruppierungen und Programmen erlebte. Inzwischen reicht ihr Repertoire von der Renaissancemusik über Ausflüge in den Jazz bis hin zu zeitgenössischen Kompositionen. In den letzten Jahren erweist sie auch dem guten alten deutschen Volkslied zunehmend Reverenz. Eins ist sicher: die Ideen zu immer neuen Programmen werden der engagierten Sopranistin, die davon lebt, dass sie sehr viel (verschiedenes) macht, so bald nicht ausgehen. Das Glück des Mühlenbauden-Publikums wäre perfekt gewesen, hätte die Sängerin ihre musikalischen Kostproben statt vom Band live dargeboten. Dennoch haben sie Appetit auf mehr geweckt. Gelegenheit hierzu erhält, wer sich zur Aufführung der Matthäuspassion am 3. April um 18 Uhr in den Berliner Dom begibt. Und wenn man die Kammersängerin im Hinblick auf den Dorfkichen-Sommer schon jetzt erneut für Kartzow anfragt, wird Gabriele Näther auch hier nicht Nein sagen. Die Reihe „Zur Person“ wird am 8. März um 19.30 Uhr mit Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs fortgeführt.

Almut Andreae

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