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Kultur: Identitätshilfe aus der Tiefe

Ausstellung „Spurensuche“ zu den Grabungen am Alten Markt im „Schaufenster“ der FH eröffnet

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Diese Ausstellung ist eine Sensation. Selbst wenn die gezeigten archäologischen Funde – Schalen, Krüge, Gebeine – keine Schätze im rein materiellen Sinne sind. Die Exposition „Als die Mark entstand ... Spurensuche in Potsdam und Brandenburg an der Havel“ hat das Zeug, Potsdamer Gemüter weiter zu bewegen. In der nicht zur Ruhe kommenden Diskussion um Potsdams historische Mitte und den Stadtschlossneubau macht sie zum ersten Mal umfassend die historischen Wurzeln jenes Ortes sichtbar – und erfahrbar. Allein ein Drittel der gezeigten Stücke stammt aus den noch laufenden archäologischen Sichtungen im Rahmen der Baufeldfreimachung für den Landtagsneubau.

So findet jeder Potsdamer Material, der auf der Suche nach historischer Identität ist. Hier wird zum ersten Mal greifbar, warum um die Grabungs- und Baustelle im Herzen der Stadt auch die erbittertste Diskussion Berechtigung hat. „Es sind sehr wichtige Dinge zu Tage gekommen, die Thesen zur Potsdamer Stadtentwicklung haben sich verändert“ , erklärt Gert Streidt, dessen Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte neben der Stadt, dem Landesamt für Denkmalpflege und der Fachhochschule als Ausrichter auftritt. Ungewöhnlich genug, dass Archäologen zeitgleich zu einer laufenden Grabung ihre Funde bereits in einer Ausstellung präsentieren. Sicher drängte das 850-jährige Jubiläum der Mark. Klar ist aber auch, dass die Denkmalpflege möglichst früh die Öffentlichkeit für einen sensiblen Umgang mit der eigenen Geschichte gewinnen möchte.

Die Schau, die von der Stadtarchäologin Gundula Christl inhaltlich konzipiert und von Designstudenten der Fachhochschule in schnellen acht Wochen zur Präsentation gebracht wurde, zeigt, dass die historische Gründung der Mark in der askanischen Zeit auch auf dem Alten Markt wichtige Zeugnisse hinterlassen hat. „Wir werden Brandenburg a. d. Havel nicht den Titel der Wiege der Mark streitig machen“, so Streidt. Schon jetzt sei aber klar, dass die Zeugnisse aus der Gründerzeit der Mark, die mit Albrecht dem Bären im Jahr 1157 begann, am Grabungsort ein beredtes Bild über die mittelalterliche Lebenssituation beschreibt.

Deren Deutung ist längst noch nicht abgeschlossen. „Wir wollten auch auf unsere Arbeitsweise hinweisen und zeigen, dass wir nur Thesen aufstellen, die erst noch von der Wissenschaft überprüft werden müssen“, so Christl bei einem Rundgang am Eröffnungstag. Wie zum Beispiel das Skelett einer Katze, das säuberlich zusammengelegt unter Glas liegt. Wie es mit Fischschuppen und Resten von Eierschalen in ein Tongefäß geraten ist, vermag niemand zu sagen. Vielleicht ein heidnischer Brauch? „Alles, was wir noch nicht verstehen“, zitiert Christl einen Archäologenspruch, „gilt ja als Kulthandlung.“

Im Zentrum des Raumes befindet sich ein kreisrunder Plan, auf dem sämtliche Bodenfunde und Erkenntnisse zum Alten Markt neben die aktuelle Bebauung eingetragen sind. Es handelt sich, so die Stadtarchäologin, um das größte zusammenhängende besiedelte Grabungsfeld, das im Land bekannt ist. Manche Funde, wie die konservierten Ackerfurchen von Hakenpflügen, stammen noch aus der slawischen Zeit. Ausläufer der alten Slawenburgbesiedlung ziehen sich, so Christl, also bis zum Alten Markt.

FH-Designer Detlef Saalfeld hat mit seinen Studenten ein kongeniales Konzept verwirklicht. Die bodennahe Präsentation der Relikte wird mittels schmalen Fahnen in die Vertikale überführt. Auf ihnen findet der Besucher die derzeitige Interpretation der Materialien. Multimedia-Bildschirme und ein klug konstruiertes Puzzlespiel lassen eine Epoche auferstehen, aus der nur wenige schriftliche Urkunden vorliegen.

Bis zum 1. Juli wird die Ausstellung nahe der Grabungsstätte zu sehen sein. Dann wandert sie auf Dauer nach Brandenburg a. d. Havel. Ergänzt durch die dortigen Funde bildet sie den Grundstock für das neue Archäologischen Landesmuseums, das am 1. Dezember im Paulikloster eröffnet wird.

Schaufenster, Friedrich-Ebert-Straße 5, Di bis So, 11 bis 18 Uhr, Eintritt frei

Matthias Hassenpflug

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