Kultur: Im „Ausnahmezustand“
Riesenandrang bei der Hochhuth-Uraufführung in Brandenburg
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Riesenandrang bei der Hochhuth-Uraufführung in Brandenburg Morgen, am Freitag dem 13. wird die deutsche Theaterszene – und wohl auch ein Teil der Wirtschaft – gespannt auf ein kleines, sonst kaum beachtetes Theater im Osten der Republik schauen. In Brandenburg an der Havel erlebt Rolf Hochhuths neues Stück „McKinsey kommt“ seine Uraufführung. Werbung dafür hat der Autor nach den Schlagzeilen im Vorfeld nicht nötig. Alle sechs geplanten Vorstellungen sind längst ausverkauft; vier weitere wurden angesichts der Anfragen auch aus dem Ausland für April nachträglich in den Spielplan geschoben. In seinem Fünfakter prangert Hochhuth die „Diktatur der Weltwirtschaft“ und gierige Konzernchefs an, denen der eigene Gewinn und der Abbau von Arbeitsplätzen zum Maß aller Dinge geworden sei. Zugleich lässt er darin die Opfer - die „Rausgeworfenen“ – auftreten. Der politische Autor („Der Stellvertreter“, „Wessis in Weimar“) hat damit wieder einen Nerv der Gesellschaft getroffen. In die Schlagzeilen brachte ihn allerdings erst der Protest aus Wirtschaftskreisen gegen sein Polit-Schauspiel, das seit dem Vorjahr als Taschenbuch vorliegt. Stein des Anstoßes war insbesondere ein „Warnung“ überschriebenes Sonett am Ende des ersten Aktes mit der Zeile: „Schleyer, Ponto, Herrhausen warnen.“ Dieser Hinweis auf Industrielle, die Opfer von RAF-Attentaten wurden, rief Vertreter der Wirtschaft wie den BDI-Präsidenten Michael Rogowski auf den Plan, die darin eine Billigung, wenn nicht gar einen Aufruf zu Mordtaten sahen. Zusätzliche Brisanz erhielt die Debatte dadurch, dass sich der in Hochhuths Stück namentlich kritisierte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann derzeit wegen des Verdachts der Untreue vor Gericht verantworten muss. „Wir hatten nicht die leiseste Ahnung, dass die Aufregung um das Stück so groß werden würde“, gesteht Intendant Christian Kneisel. Sonst wäre „McKinsey kommt“ nicht im Kleinen Haus inszeniert worden, das nur 280 Zuschauer fasst. Sein Theater stehe seit Wochen praktisch im Ausnahmezustand, meint Kneisel. Hunderte Pressevertreter von Norwegen bis Italien wollten bei der Premiere dabei sein. Das Theater, das immer wieder massive Kürzungen verkraften musste, hat seit Jahren praktisch keine Schauspielsparte mehr. Die finanziell klamme Bühne schramme ständig gerade so am Konkurs vorbei, sagt Kneisel. Auch die Stadt Brandenburg passt gut zur Botschaft des Stückes. Nach der Schließung des Stahlwerks ist hier jeder Fünfte arbeitslos, betont Hochhuth. Es gibt aber einen weitaus banaleren Grund dafür, dass das Schauspiel ausgerechnet hier uraufgeführt wird, wie der Autor freimütig einräumt: „Es hat sich kein anderer dafür interessiert.“ Politisches Theater sei heute in Deutschland so gut wie tot, weil die durch staatliche Subventionen satten Theatermacher es nicht wollten. „Dabei käme das Publikum zu uns, wenn wir in großen Städten aufgeführt würden“, zeigt sich Hochhuth überzeugt. Am Montagabend war Hochhuth beim ersten vollständigen Durchlauf des Stücks dabei und zeigte sich durchaus zufrieden. Volker Kunze
Volker Kunze
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