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Historische Instrumentenkunde. Tilman Muthesius mit frühbarocker Violine aus seiner Werkstatt.

©  A. Klaer

Kultur: Im barocken Format

Seit fünf Jahren veranstaltet Instrumentenbauer Tilman Muthesius eine eigene Konzertreihe

Stand:

Herr Muthesius, hat ein Instrumentenbauer wie Sie so viel Zeit und verdient so gut, dass er sich nebenberuflich seit nunmehr fünf Jahren einen Kammermusiksaal mit regelmäßigen, selbstfinanzierten Konzerten leisten kann?

Das ist eine gemeine Frage. Aber Zeit hat man immer, wenn man sie sich für das nimmt, was einem wichtig ist. Natürlich gibt es immer wieder Momente, in denen man sich fragt: Warum tue ich mir das überhaupt an? Ich könnte das Wochenende doch nutzen, um einfach mal faul zu sein, Zeitung oder ein Buch zu lesen.

Oder den Fernseher einzuschalten?

Ich habe keinen Fernseher und vermisse ihn auch nicht.

Stattdessen nutzen Sie die Zeit als Konzertveranstalter, der sich auf die Musik der Renaissance und des Barock, der sogenannten Alten Musik, spezialisiert hat?

Konzertveranstalter klingt jetzt natürlich sehr hochgestochen. Aber es gibt ja immer wieder Dinge im Leben, in die man einfach reinrutscht. Ich bin sehr früh zur Alten Musik gekommen, als ich mit 18 Jahren die Barockmusik für mich entdeckte und von der Geige auf die Gambe umgestiegen bin.

In diesem Fall als Musiker und nicht als Instrumentenbauer?

Ja, als Musiker. Aber ich habe das auch mit meinem Beruf in Verbindung gebracht, in dem ich mich hier auf den historischen Instrumentenbau spezialisiert habe. Das war zu einer Zeit, Mitte der 70er Jahre, als das Thema Barockmusik noch ein sehr neues und bei den etablierten Kultursendern, ob im Radio oder im Fernsehen, noch nicht angekommen war. Das war eine absolute Nische, das waren Verrückte, die das machten. So haben wir damals auch unsere ersten eigenen Konzerte selbst organisieren und dort dem Publikum erklären müssen, warum wir nun auf anderen Instrumenten spielen, die statt Stahlsaiten solche aus Darm haben.

Pionierarbeit in Sachen historischer Aufführungspraxis?

Ja, die ganzen Dinge, die heute in den interessierten Kreisen längst bekannt sind. Aber damals war es schwer, für solche Konzerte entsprechende Räumlichkeiten zu finden. Und so habe ich bei der Suche nach meiner ersten Werkstatt nach Objekten geschaut, die einen Raum hatten, den ich für solche Konzerte hätte einrichten können. Da war ich Anfang 20, habe mir bei Hannover eine alte Wassermühle gekauft und den ehemaligen Mühltechnikraum so ausgebaut, dass man dort vernünftig spielen konnte.

Warum haben Sie keine öffentlichen Konzerträume genutzt?

Weil meine Angebote für ein spezielles und überschaubares Publikum gedacht waren. Unter solchen Bedingungen Veranstaltungen auf einer öffentlichen Konzertbühne zu organisieren, das geht nicht ohne Fördergelder. Und das bedeutet einen Aufwand und eine Abhängigkeit, die mir nicht gefällt.

Nun hat sich in den vergangenen Jahren eine große Liebhaberschaft für die Alte Musik gefunden. War das für Sie auch ein Grund für die insgesamt zehn jährlichen Abokonzerte, die Sie nun mittlerweile im fünften Jahr in Klein Glienicke im Kammermusiksaal Havelschlösschen anbieten?

Als ich 2005 dieses Objekt hier übernommen habe, war der erste Gedanke, den ehemaligen Tanzsaal für Proben und als Showroom für die Instrumente, die in meiner Werkstatt entstehen, zu nutzen. Aber bald schon kam die Idee: Wenn man schon so einen Raum hat, wäre es doch viel zu schade, den nur für sich zu nutzen. Da sollen doch auch andere was von haben. Und dann haben wir beschlossen, dass wir hier einmal im Monat ein Konzert veranstalten, mit Aufführungen, die im normalen Konzertbetrieb so nicht zu erleben sind.

Also doch wieder nur ein Angebot für ein spezielles und überschaubares Publikum?

Nein, eine Nische. So wie meine Nische im Jahr 1979, als ich mich für den historischen Instrumentenbau entschlossen habe. Hier jetzt also Konzerte für ein kleines Publikum im barocken Format.

Ist es schwierig, für ein solches barockes Format die Musiker zu finden?

Das war einer der Gründe, warum ich es überhaupt gemacht habe: Denn es ist ganz leicht, die Musiker zu finden. Die kamen zu mir und sagten, dass sie hier auch gern mal spielen möchten. Auch durch meine Kontakte als Instrumentenbauer bot es sich an, Musiker zu fragen, ob sie hier nicht mal auftreten würden. Dann gibt es auch immer wieder Anfragen von Ensembles, die in der Andreaskirche in Wannsee neue Alben einspielen und hier einfach noch mal ihr Programm vor Publikum spielen wollen, um so lockerer in die Aufnahme gehen zu können. Das hatten wir schon mit dem Schuppanzigh Quartett zweimal und auch in diesem Jahr wieder, wenn sie ihr drittes Haydn-Album in Berlin aufnehmen. Solche Vermietungen tragen dann natürlich dazu bei, dass sich solch ein Konzertsaal rechnet.

Hat sich in den vergangenen fünf Jahren ein gewisses Konzept bei der Jahresplanung Ihrer Konzerte entwickelt?

Neben den Konzerten versuche ich in jedem Jahr die Reihe auch zu nutzen, um auf Instrumente aus meiner Werkstatt aufmerksam zu machen, die im Rahmen eigener, instrumentenhistorischer Forschungen entstehen. Im vergangenen Jahr war das ein Konzert mit einer frühbarocken Violine, die wir anhand von historischen Gemälden und Zeichnungen rekonstruiert haben. In diesem Jahr werden wir eine Gambe mit acht Saiten vorstellen.

Mit acht Saiten? Bisher galten sieben als das Maximum?

Ja, ich kenne da auch nur ein Exemplar, und das befindet sich in Paris im Museum. Dieses Instrument habe ich jetzt nachgebaut. Die Idee dahinter ist, dass ich glaube zu wissen, dass darauf ursprünglich die „Pieces de Clavecin en Concerts“ von Jean-Philippe Rameau gespielt wurden.

Aber eine Frage ist noch immer ungeklärt: Wie finanzieren Sie diese Konzerte?

Das ist wie mit der Zeit, über die wir am Anfang geredet haben. Entweder man nimmt sie sich oder lässt es bleiben. Rechnen darf ich da nicht. Natürlich sage ich mir nach jedem Konzert, eigentlich müssten die Musiker mehr bekommen. Aber durch den Eintritt ist nicht einmal das reingekommen, was sie als Gage erhalten. Und ich wäre zufriedener, wenn ich ein paar mehr Abonnenten finden würde. Als frühzeitig spezialisierter Geigenbauer, wo ich mit dem historischen Instrumentenbau in eine Nische gekommen bin, als ich noch keine Konkurrenz hatte, habe ich mittlerweile eine Position erreicht, in der ich von meiner Arbeit solide leben, aber auch bis zu einem gewissen Punkt meine Leidenschaft Kammermusiksaal finanzieren kann.

Das Gespräch führte Dirk Becker

Am morgigen Donnerstag, 20 Uhr, findet unter dem Titel „Clavicord – das einsame, melancholische Instrument“ im Kammermusiksaal, Waldmüllerstraße 3, ein Konzert mit Gerhard Kastner mit Werken aus den Familien Bach und Mozart statt. Der Eintritt kostet 25, ermäßigt 15 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 748 14 96. Weitere Informationen zur Konzertreihe im Internet unter

www.gamben.de

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