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Andreas Hünekes Variationen des Reigens: Im Dialog mit der Parodie

Das erste Gedicht ist von leichter Gestimmtheit, sogar lustig, doch auch hintergründig. „Ringel ringel Rosenkranz, / Ich tanz mit meiner Frau!

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Das erste Gedicht ist von leichter Gestimmtheit, sogar lustig, doch auch hintergründig. „Ringel ringel Rosenkranz, / Ich tanz mit meiner Frau! / Wir tanzen um den Fliederbusch, / Ich dreh mich wie ein Pfau.“ Der Potsdamer Kunsthistoriker Andreas Hüneke nahm Bierbaums Verse unter dem Titel „Er fühlt sich wie ein glücklicher Ehemann“ an den Anfang seiner Publikation „36 Arten den Reigen zu beschreiben“. Darin begibt sich Hüneke auf ein Terrain, das selten bedient wird, dem Genre lyrischer Parodien. In der Musik, auf der Theaterbühne, im Film, in der Literatur und neuerdings in der Produktion von Videospielen werden Parodien benutzt, diese „verzerrende, übertreibende oder verspottende Nachahmung“, wie es ein Nachschlagewerk bezeichnet. Auch die Satire darf also mit von der Partie sein. Die bekannteste Parodie in der Literatur ist Cervantes Werk „Don Quijote“, in der er die damals gängigen Ritterromane auf die Schippe nahm.

Andreas Hünekes Buch ist eine Überraschung. So viel Lust an lyrischer Übertreibung, wie er in ihm vorlegt, hätte man nicht erwartet. Zum Selber-Gedichte-Schreiben hat der Autor ein vertrautes Verhältnis. Doch das Wagnis, damit in die Öffentlichkeit zu gehen, verdankt er indirekt dem bedeutenden Theologen Rudolf Bultmann. Dessen 18 Parodien zu „Ringel ringel Rosenkranz“ flatterten eines Tages als Schreibmaschinenabschrift auf Hünekes Schreibtisch. Es stellte sich aber heraus, dass die wenigsten Parodien von dem Theologen stammen, die meisten von dem Hamburger Architekten Fritz Schumacher. Bultmann schrieb 1959 in einem Brief, dass er die Parodien Studenten vorlas. „Wem ich dann das Ms. (Manuskript, d. Red.) geliehen habe, wer es vervielfältigt hat (übrigens mit Fehlern) u. wer das Gerücht in die Welt gesetzt hat, daß ich der Autor sei, weiß ich nicht.“

Im Buch werden Schumachers und Bultmanns „Ringel ringel Rosenkranz“-Variationen denen von Andreas Hüneke vorangestellt. Alle 36 Parodien tragen die Überschrift von Dichtern, die den Autoren zur literarischen Nachahmung inspiriert haben. Sie füllten sie mit eigenem Inhalt, sei es mit charakteristischen Motiven aus einem einzelnen oder dem gesamten Werk der Schriftsteller wie Schiller, Goethe, Brecht, Fühmann, Kunert oder Enzensberger. Ironisches, Heiteres, Nachdenkliches und Hintergründiges fand in den Variationen Aufnahme.

In der Bildenden Kunst gibt es zwar so gut wie keine Parodien, bisher nur Adaptionen fremder Werke. Doch Hünekes Buch ist auch deswegen interessant, weil er es mit Bildern zeitgenössischer Künstler wie die Potsdamer Birgit und Bernd Krenkel, Egon Wrobel, Roswitha Grüttner und Irene Dietrich illustriert, die versuchen, mit der vorgegebenen Literatur in einen teilweisen vergnüglichen Dialog zu treten. Der Autor und Herausgeber versucht so, die Parodie auch in die Bildende Kunst zu lenken. Klaus Büstrin

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