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Kultur: Im Doppelpack

Susanne Scholze und Claudia Mende bringen frühbarocke Geigen von Tilman Muthesius zum Klingen

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Hochvirtuos wird es nicht zugehen, wenn Susanne Scholz und Claudia Mende am morgigen Donnerstag zur „Sonate Concertate“ laden. Die beiden Geigerinnen werden im Kammermusiksaal Havelschlösschen unter anderem Kompositionen italienischer Kapellmeister wie Marini, Merula und Uccelini spielen. Musik aus dem frühen 17. Jahrhundert, der Anfangszeit der Violinsonate. Und das auf zwei Nachbauten von frühen Barockviolinen aus dem Musikzentrum Brescia. „Harmonisch, wohlklingend und oft einfach nur sehr schön“, sagt Claudia Mende über diese Kompositionen. Noch keine Musik wie später bei Arcangelo Corelli, Heinrich Ignaz Franz Biber oder Johann Sebastian Bach, wo der Solist mit Lagenspiel und Doppelgriffen gefordert ist und technisch alle Möglichkeiten auf dem Instrument ausgereizt wurden. Hier geht es noch nicht um Überwältigung durch höchste Könnerschaft und besagter Virtuosität auf der Violine. Hier ist es die klare Schönheit der Harmonie, die besticht, durch ein Klangideal, wie es heute nur selten zu erleben ist.

Die Potsdamer Geigerin Claudia Mende hat diesen frühen Violinenklang schon einmal im März vor drei Jahren zu Gehör gebracht. Zusammen mit dem Lautenisten Andreas Arend war sie damals im Kammermusiksaal Havelschlösschen mit „Duetti furiosi“ zu erleben. Eine Premiere, denn es war das erste Mal, dass die Kopie einer frühbarocken Violine aus der Werkstatt des Potsdamer Geigenbauers Tilman Muthesius in einem Konzert gespielt wurde. Eine spröde Schöne, die sich kraftvoll zu äußern verstand, manchmal auch etwas zu vorlaut und raustimmig, aber durchweg immer glasklar in der Intonation.

Instrumentenbauer Muthesius, der auch die monatlichen Konzerte im Kammermusiksaal organisiert, hat mittlerweile eine zweite Kopie dieser frühen Barockgeige gebaut. Im 16. Jahrhundert, entstanden solche ersten Geigen in der bis heute gängigen Form in Italien. Bevor Cremona durch Geigenbauer wie Amati, Guarneri und Stradivari zum Zentrum für den Instrumentenbau wurde, gingen die maßgeblichen Impulse von der Geigenbauschule in Brescia aus. Meister wie Gasparo da Salò prägten die Violine in der Form, wie sie Tilman Muthesius in seiner Klein Glienicker Werkstatt rekonstruiert haben. Es war eine Zeit, als dieses Streichinstrument nicht mehr allein für die Tanzmusik genutzt werden sollte, sondern auch als Soloinstrument in der ernsthaften Musik Einzug hielt. Mit dieser Entwicklung und neuen Kompositionen stiegen Niveau und Virtuosität und entsprechend auch die Anforderungen an das Instrument. Es war dann Antonio Giacomo Stradivari, der im 17. Jahrhundert der Geige mit schlankem Hals, längerem Griffbrett und kleinerer Korpusgröße die bis heute gültige Form gab. Das Wissen um die Anfänge des Brescianer Stils ging schon bald verloren.

Tilman Muthesius hat sich in der Vergangenheit intensiv mit historischen Instrumenten und deren spezieller Spielweise beschäftigt. Ein Trend, der sowohl im Instrumentenbau als auch an Universitäten immer stärker in den Vordergrund rückt. Dabei geht es nicht einfach nur um Dokumentationen für die historische Instrumentenkunde, sondern vor allem um die Frage, auf welchen Instrumenten wie zu welcher Zeit gespielt wurde und wie diese möglicherweise geklungen haben. So ist der Hals der frühbarocken Geigen aus der Werkstatt von Tilman Muthesius im Vergleich zu späteren Barockviolinen und vor allem im Vergleich mit modernen Instrumenten regelrecht klobig. Das Griffbrett ist kürzer und auch der Steg, die kleine Holzbrücke auf der Decke, über dem die Saiten verlaufen, ist sehr weit nach hinten platziert. Die tiefste Saite ist hier nicht wie bei den späteren Instrumenten mit Draht umsponnen, sondern aus Darm. Dadurch ist diese Saite fast doppelt so dick wie üblich und nur schwer zum Schwingen zu bringen. Doch nicht allein auf historische Violinen beschränkt sich das Forschungsinteresse von Tilman Muthesius. Vor allem die Gamben haben es ihm angetan. Regelmäßig baute er neue von diesen mit bis zu sieben Saiten ausgestatteten Streichinstrumenten. Vor zwei Jahren hat er sich dann an ein größeres Experiment gewagt: der Kopie einer achtsaitigen Gambe von Benoît Fleury, gebaut um 1750. Im Oktober ist beim Label Sony Music ein Album mit der Einspielung der „Pièces de clavecin en concerts“ von Rameau auf diesem Instrument erschienen. Zum ersten Mal weltweit, so Sony Music. Derzeit ist das junge Ensemble Les Timbres mit der achtsaitigen Gambe im Studio für ein weiteres Album. Wie die frühbarocke Geige aus seiner Werkstatt war aber auch die achtsaitige Gambe zum ersten Mal überhaupt im Konzert im Kammermusiksaal Havelschlösschen zu erleben.

Eine solche Premiere ist auch das Konzert am Donnerstag, wenn die Brescianer Geigen im Doppelpack zu erleben sind. Begleitet werden Susanne Scholz und Claudia Mende von der Cembalistin Zita Mikijanska. Und so viel kann schon jetzt behauptet werden: Dieser Abend wird ein besonderes Konzert- und Hörerlebnis bieten.

„Sonate Concertate“ am morgigen Donnerstag um 20 Uh, im Kammermusiksaal Havelschlösschen in der Waldmüllerstraße 3. Der Eintritt kostet 25, ermäßigt 15 Euro. Kartenreservierung unter Tel.: (0331) 74 814 96

Dirk Becker

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