Kultur: Im Eilschritt durch die Geschichte
Vortrag über das armenische Volk in seiner weltweiten Diaspora
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Kleinere Staaten zwischen machtvollen Reichen hatten es immer und überall schwer, in Europa wie im Morgenland. Manche wurden geschluckt, andere zwischen den Großen aufgeteilt, die Menschen vertrieben. Die Folgen solchen Heimatverlustes war für das Selbstverständnis solcher Völker verheerend. Vielen erging es in der Geschichte so, aber nur wenige können behaupten, ihre Identität und Kultur auch in der „Verbannung“ bewahrt zu haben, wie Juden und die indogermanischen Armenier. Nun gab es im Haus des Pfingstbergvereins neben der Mitgliederversammlung des Fördervereins Lepsius-Haus e.V. einen Vortrag, veranstaltet von der Deutsch-Armenischen Akademie, der sich mit der „weltweiten Diaspora“ von Exil-Armeniern beschäftigte.
Eingeladen war der Kirchenhistoriker Hacik R. Gazer mit Lehramt in Erlangen. Geradezu im Eilschritt streifte der Armenier die Geschichte seiner dreigeteilten Heimat sowie sämtliche „Zentren der Diaspora“ zwischen Los Angelos und Singapur, St. Petersburg und Ägypten. „Krunk“, das Lied „des über die Welt zerstreuten Volkes“ begleitete seine Wege. Darin heißt es recht poetisch: „Kranich, hast du nicht aus unsrem Lande eine kleine Nachricht?“ Nachricht aus dem „Stammland“ hatte er so wenig wie Informationen über die armenische Gemeinde hierzulande, ihre Kenntnis wurde im Hörerkreis vorausgesetzt. Zu vieles blieb dem Außenstehenden unklar und fremd.
Man erfuhr von der mindestens 3000-jährigen Geschichte dieses Volkes, das „rund um den Berg Ararat“ lebte und bereits 300 n. Chr. als „erster christlicher Staat der Welt“ galt. Aber das half nicht, mal fielen Meder und Perser über das Hochland zwischen Anatolien und dem Iran her, mal Araber oder Byzantiner, und irgendwie, weit vor den beiden „Genoziden“ von 1894/96 und um 1915 (als Konstantinopel 1,75 Millionen Armenier nach Syrien und Palästina „deportieren“ wollte) kam es schon immer wieder zu diesen Auswanderungswellen gen London und Übersee oder in Richtung Euphrat und Indus. Sie waren also nicht immer durch politische Gewalt bedingt, wirtschaftliche Not oder Erdbeben, so der Referent, taten es auch. In der Fremde baute man, dank reicher Mäzene, armenische Kirchen und Schulen, man richtete sich überall in seiner uralten Tradition ein – gleichsam die „christliche Variante“ der jüdischen Diaspora. Zog die Bevölkerung weg, so ihre Geistlichkeit mit. Allerdings ist die „Armenische Kirche“ seltsam gefügt. Um 300 n. Chr. von Gregor „erleuchtet“ und zweihundert Jahre später durch Mesrop zur Staatskirche erklärt, gibt es seit dem 19. Jahrhundert eine mit dem Vatikan „unierte“ Richtung, aber auch evangelische Strömungen, in Basel etwa. Ihr Credo ist „monophysitisch“. Anders als Protestanten und Katholiken, welche an die göttliche Dreieinigkeit glauben, nehmen die Armenier in der Person Christi nur eine, die „gottmenschliche“ Natur, an. Das hindert die Evangelische Kirche allerdings nicht an einer Zusammenarbeit.
Im Veranstaltungskatalog des Lepsius-Hauses wird für den 30. März ein theologisch ausgerichteter Vortrag angeboten, welcher Armenien sogar „zum Prüfstein für die internationale politische Ethik des deutschen Protestantismus“ macht. Die gemeinsame Grundlage dürfte die 2005 von der rot-grünen Regierung samt Bundestag verabschiedete „historische“ Armenien-Resolution sein.
Gerold Paul
Gerold Paul
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