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Kultur: Im eisigen Wind der Macht

Die Theatergruppe Shakespeare und Partner mit „Heinrich VIII.“ im T-Werk

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Shakespeares „The Famous History of the Life of King Henry the Eighth“ von 1612 wird allzu oft nicht aufgeführt. Die letzte deutschsprachige Inszenierung gab es 1927 im Bochumer Schauspielhaus, aber bei Shakespeare ist ja alles Gegenwart, wenn man ihn ruft. Gut möglich also, auch am Hofe Heinrich VIII. (1491-1547) Parallelen zur britischen oder einer sonstigen Jetztzeit zu finden. Die Theatergruppe Shakespeare und Partner ist mit ihrer Fassung von „All is True“ (Originaltitel) einen anderen Weg gegangen. In vier Episoden des so ellenlangen wie personenreichen Historiendramas zeigt sie, wie die zweite Ebene der Macht unterhalb des Thrones funktioniert, die Rolle der Staatsräte, Kardinäle, Bischöfe, der Lords und Gesandten. Kurz: In „Heinrich VIII.“ geht es um den eisigen Wind, der die Macht zu jeder Zeit umweht. Historisch gesehen vollendet dieser machtbewusste König, was König Johann vor ihm schon mal übte, die Lösung des englischen Throns vom Katholizismus. Leider kommt das in der Inszenierung von Markus Weckesser und Jakob Fedler nicht so gut heraus. Am Donnerstag feierte das gut zweistündige Werk im T-Werk seine Potsdam-Premiere. Nur zehn Köpfe saßen im Parkett, jammerschade, was ließe sich in dieser Produktion von 2009 nicht alles lernen. Danke, dass man trotzdem gespielt hat!

Heinrich hat das Regieren dem Kardinal Wolsey überlassen, welcher gerade dabei ist, seinen Machtrivalen, Herzog von Buckingham, aus dem Weg zu räumen. Zeitgleich verstößt der König seine katholischen Gattin Katharina nach 20 Ehejahren, um die schöne Prinzessin Anne heiraten. Als Wolsey ihm im Wege steht, ersetzt Heinrich ihn durch Cranmer, den Erzbischof von Canterbury, ein Sympathisant der Lutheraner. Wie der royale Wille auf die zweite Machtebene durchschlägt und wie intrigant und eigenmächtig man dort damit umgeht, zeigt die Inszenierung mit erstaunlicher Intensität – man muss sich nur erst an sie gewöhnen.

Die aus Potsdamern und Berlinern bestehende Truppe führt sie – mit einem Geviert als Bühne und zwei hohen Doppelblenden im Hintergrund (Hannah Hamburger) – nämlich unter „Shakespearesches Volkstheater“. Dazu gehören das nicht gelöschte Saallicht, die vorhanglose Bühne, die Darstellung aller Figuren durch Männer, vermutlich auch das Unterbrechen der Handlung für eine Obstvesper nebst Schwätzchen mit dem Publikum. Alle hatten in der kupierten Personage mehrere Rollen am Hut und alle mussten auch noch die Lady Anne geben. Markus Weckesser ist der King mit Minikrone, Hemd und Hose von heute. In dem weiteren Rollen Jan Maak, Andreas Erfurth, Urs Stämpfli und Sebastian Bischoff als Cranmar, nebst anderen, subordinierten Figuren.

Die Doppelregie setzte einerseits auf das Wort (Übersetzung: Werner Buhss), vertraute andererseits ganz auf die Kraft der Schauspieler, ihrer Kunst, verschiedene Rollen glaubhaft von innen heraus zu produzieren, ihrem Witz. Wunderbar anzusehen, mit welcher Kraft und Innerlichkeit sich die fünf Mimen ihre Rollenprofile erschufen, wie leicht so vieles daherkam, wie witzig und einfallsreich manch szenische Idee, etwa die Ratssitzung gegen Cranmer, dessen heimlicher Protestantismus leider unsichtbar blieb. Kein Schnickschnack außen, die Rollen wurden meist durch einen historisierenden Umhang angedeutet, Minimalismus auch bei der Requisite. Im toto eine tolle Ensemble-Leistung, hier stand immer der Schauspieler im Mittelpunkt, Shakespeare manchmal daneben. Unbedingt sehenswert also, auch wenn der gedankliche Rahmen, der lange Kampf gegen Rom, dabei viel zu kurz kam. Gerold Paul

Wieder am heutigen Samstag, 20 Uhr, im T-Werk, Schiffbauergasse

Gerold Paul

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