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Sind so schöne Ringe. Gold ist das einzige, was an Volpone, gespielt von Wolfgang Vogler, noch glänzt.

©  HL Böhme

Kultur: Im Intrigantenstadl

Gespenst und Adonis: Wolfgang Vogler spielt Volpone / Premiere am Samstag im Hans Otto Theater

Stand:

Das Ende der Probe verzögert sich. Und danach müsse Wolfgang Vogler noch abgeschminkt werden. Denn, so betont der Regieassistent, die schlechten Zähne gehören nicht zu ihm. So bleibt einem Zeit, in der Kantine des Hans Otto Theaters das Probentreiben auf dem Fernseher zu beobachten, das dieser tonlos von der Bühne überträgt.

Glaslos sind die wandhohen Fenster an der Rückseite der Bühne. Sonst herrscht große Leere und gnadenloser Verfall. In der Mitte steht eines dieser standardisierten Krankenhausbetten, in dem ein bleicher, langhaariger Kerl liegt. Um diese Bettstatt drei Herren, die sich scheinbar besorgt geben. Dann tritt Regisseur Tobias Wellemeyer an den Bühnenrand und erklärt etwas gestenreichen.

Es genügen ein paar Minuten, dieses tonlose Probenspiel auf dem Bildschirm zu verfolgen, und schon ist da eine Vorfreude auf diesen Fuchs geweckt, der am kommenden Samstag im Hans Otto Theater Premiere haben wird.

Ben Jonsons so gnadenlos wie herrliche Komödie „Volpone oder Der Fuchs“ also. Dieses verschlagene Treiben um Erbschleicherei und Verlogenheit, um Geldgier und Niedertracht und Menschenverachtung bringt Intendant und Regisseur Wellemeyer als vorletzte Inszenierung vor der Sommerpause auf die Bühne im großen Theatersaal. Die Geschichte vom alten und geldgeilen Volpone, der, in dem er eine schwere Krankheit vortäuscht, bewusst die Erbschleicher Voltore (Geier), Corbaccio (Krähe) und Corvino (Rabe) auf den Plan ruft und sich diebisch daran ergötzt, wie sie sich dabei überschlagen, sich beim berühmten Hintenhineingekrieche gegenseitig zu übertreffen. Ihm zur Seite steht dabei sein Kammerdiener Mosca, der in diesem Intrigantenstadl aber seine eigenen Schweinereien ausheckt. Für „Volpone oder Der Fuchs“ brauchte Ben Jonson, ein Zeitgenosse Shakespeares, nicht das Gute als Gegengewicht bei so viel Schlechtigkeit. Denn in dieser satanischen Komödie bricht sich das Böse durch seine ständigen Kapriolen einfach selbst das Genick.

Die schaurigen Flecken auf den Zähnen sind dann doch geblieben, als Wolfgang Vogler zum Gespräch kommt. Er ist der letzte Schauspieler, der nach der Probe die Kantine betritt. Kurz vor ihm ist Holger Bülow herein gekommen, der so grandios den Christian in Wellemeyers Inszenierung von „Der Turm“ spielt. In „Volpone oder Der Fuchs“ ist er nun in der Rolle des Kammerdieners zu erleben. Bülow als Mosca, die Schmeißfliege, und Vogler als Volpone, der Fuchs. Eine Konstellation voller Potenzial, die die Vorfreude noch mehr befeuert.

Wolfgang Vogler sieht müde aus. Das intensive Proben ist nicht ohne Spuren geblieben. Und wer Vogler in „Don Juan“ oder in „Romeo und Julia“ als Vater von Julia erlebt hat, weiß, dass er ein Schauspieler ist, der sich in seine Rollen wirft, sich in ihnen regelrecht verausgaben kann. Dann spricht man mit ihm über Volpone, über die Laster und die Abgründe im Menschen und über die Sympathie in jeder Rolle, jeder Figur. Und dabei wird immer deutlicher die Diskrepanz zwischen dem Wolfgang Vogler, den man von der Bühne her kennt, und dem Wolfgang Vogler, der einem hier gegenübersitzt.

Auf der Bühne kann Vogler zum Tier werden. Ein Geck, ein Galan, ein Was-kostet-mich-die-Welt mit saalgreifender Präsenz. Hier am Tisch in der Kantine des Hans Otto Theaters sitzt ein stiller Mann. Zurückhaltend, aber höchst aufmerksam. Einer, der sich Zeit lässt mit seinen Antworten oder sich auch mal mitten im Satz unterbricht, wenn er dann doch noch nach einem anderen Wort sucht. Eines, das vielleicht noch besser erklärt.

Angesprochen auf diese Diskrepanz muss Wolfgang Vogler lächeln. „Es heißt ja auch Schauspieler“, sagt er. Schau – kurze Pause – Spieler. Und dann wird dem Klang dieser beiden Worte nachgelauscht.

Natürlich liebe er es, wenn eine Rolle eine gewisse Körperlichkeit fordert, er aus sich herausgehen kann, sagt Vogler. Er spricht dann von einem sechsten Gang, den er einlege. Aber das entscheide nicht er, sondern sei immer der Handschrift des jeweiligen Regisseurs geschuldet. Aber wenn man ihn in der Rolle des Don Juan in Molières gleichnamiger Komödie hat spielen sehen, muss man doch glauben, dass ihm diese Rolle wie auf den Leib geschneidert gepasst haben muss.

„Ja“, sagt Wolfgang Vogler, „den Don Juan habe ich geliebt.“ Und fast möchte man Wehmut in seiner Stimme darüber hören, dass dieser Don Juan, der so oft von ihm gespielt wurde, – erst im Theater in Magdeburg, dann hier in Potsdam – nun doch endgültig vom Spielplan genommen wurde. Zu Volpone dagegen wird Vogler wohl kaum in Liebe entbrennen.

„Bei diesem Volpone musste ich lange nach den Sympathien suchen“, sagt Vogler. Dieser Greis, der zwar Geld hat, aber seinen unaufhaltsamen Bedeutungsverlust nicht akzeptieren kann. Der, weil er nicht mehr auf dem Parkett der Wichtigen und Bedeutenden mittanzen kann, den perfiden Beleidigten gibt und die anderen nach seiner Pfeife tanzen lassen will. Und so lockt er mit dem, bei dem alle den Verstand verlieren: Er lockt mit Geld. „Es ist, als würde Volpone einen Eimer mit Seifenwasser auf dieses Parkett schütten“, sagt Vogler. Volpone lacht und feixt, wenn die Erbschleicher Voltore, Corbaccio und Corvino ihre schlingernden und schlitternden Lächerlichkeitstänzchen um seine Gunst vollführen. Und am Ende liegt er dann selbst im Dreck.

„Im Grunde ist dieser Volpone nur unendlich einsam“, sagt Vogler. Ein alter Mann, der seinem unaufhaltsamen Bedeutungsverlust tatenlos zusehen müsse, aber trotzdem nicht akzeptieren könne, dass er seinen Status verloren hat. Darum die vorgetäuschte Krankheit. Und am Ende die vorhersehbare Erkenntnis, dass er ausgerechnet dem vertraut hat, dem er am wenigsten hätte vertrauen sollen: seinem Kammerdiener Schmeißfliege. Dieser bleiche und grauhaarige Volpone sei ein Zerrbild zwischen Gespenst und Adonis, sagt Vogler. Unaufhaltsam frisst das Alter an ihm. Doch als Celia, Gemahlin des Erbschleichers Corvino, auf die Bühne tritt, fühlt sich der alte Fuchs zur lächerlichkeitssatten Balz berufen.

„Was ist das für ein Verhalten“, fragt Vogler. Altersgeilheit? Mögliche Liebe? Oder doch nur eine fixe Vorstellung? Der Schauspieler hat vielleicht nicht viel Sympathie für Volpone gefunden. Aber er ringt mit ihm, setzt sich ihm aus in all seinen Facetten, um ihn verstehen zu können. „Eines dürfen wir aber nicht vergessen“, so Vogler. Volpone bleibe immer der Fuchs, geprägt von Egoismus und Habgier.

Bevor Wolfgang Vogler aufsteht, noch die Frage, was es für ihn bedeutet, wenn er gesagt bekommt, er spiele sich die Seele aus dem Leib. Er lächelt. Dies wäre das schönste Kompliment. „Denn dieses Sich-die-Seele-aus-dem-Leib spielen ist das Höchste, wonach ich in der Schauspielerei strebe.“

Premiere am kommenden Samstag, 19.30 Uhr, im Hans Otto Theater

Dirk Becker

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