Sehr oft wird er nur beiläufig beachtet, obwohl er im Rampenlicht steht: der Opernchor. Regisseure können mit ihm manchmal wenig anfangen und für Kritiker ist er nur eine kleine Erwähnung wert. Man würde ihn jedoch vermissen, wenn Glucks „Orpheus und Eurydike“, Verdis „Der Troubadour“ oder Johann Strauß’ „Der Zigeunerbaron“ ohne Chor über die Bühne gingen. Ohne Chor wäre eine Opernaufführung nicht mal die halbe Sache wert. Am Potsdamer Hans Otto Theater verzichtete man aber Mitte der neunziger Jahre in einer mageren Studio-Aufführung von „Aida“ auf das Orchester sowie auf das Kraftwerk Chor, man begleitet nur auf dem Klavier. Damals war bereits der Opernchor des Hans Otto Theaters auf Nimmerwiedersehen nach Hause geschickt worden. Die langjährige engagierte Arbeit der Choristen und ihrer Leiter trat man seitens der Stadtpolitik mit Füßen.
Zweiunddreißig Jahre lang leitete Erich Lehnig den Theaterchor in Potsdam. Der aus der Oberlausitz stammende Musiker ließ sich nach der Soldatenzeit im Zweiten Weltkrieg und der Gefangenschaft an der Dresdner Musikhochschule zum Chorleiter und Kapellmeister ausbilden. Dann ging er an das Theater in Quedlinburg, 1952 kam er an das Hans Otto Theater in Potsdam. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1984 hatte er die musikalische Verantwortung für die mehr als 30 Chorsolisten. Hin und wieder trat er aber auch selbst an das Dirigentenpult, vor allem von Operettenaufführungen.
Das große und vielseitige Opern- und Operettenrepertoire, das in den kleinen Häusern in der Zimmerstraße und im Schlosstheater im Neuen Palais bewältigt werden musste, studierte er mit seinen ihm anvertrauten professionellen Choristen immer mit untadliger Präzision ein. Sie mussten schließlich ihre Partien aus dem Effeff kennen, um im szenischen Bühnenalltag locker bestehen zu können. Erich Lehnig war immer darauf bedacht, dass die klangliche Homogenität, die musikalische Stilsicherheit, die chorische Schlagkraft, Ausdrucksstärke und Flexibilität in so manchen Regie-Verkrampfungen nicht verloren gingen. Oft war auch ein zäher Kampf mit Regisseuren vonnöten. Seinen Chor wollte er nicht „unterbuttern“ lassen.
Ihm war auch ein musikalischer Facettenreichtum im Repertoire wichtig. Und so hat er seinen Opernchor auch für Konzertaufführungen begeistert. Die Mitwirkung in Oratorienaufführungen in Potsdam war gefragt, so beim Requiem von Verdi, bei Orffs „Carmina burana“ oder bei der „Neunten“ von Beethoven. Besonders gern gaben Erich Lehnig und seine Choristen a-cappella-Konzerte. Konnten sie doch damit ihre hohe Klang- und Interpretationsqualität unter Beweis stellen, etwa mit den stimmungsvollen Liebesliederwalzern von Johannes Brahms oder der köstlich heiteren Heiratspostkantate von Gerhard Wimberger.
Nach dem Theaterabschied blieb Lehnig dem Kraftwerk Chor weiterhin treu. Die Sänger vom Stahnsdorfer Männerchor baten ihn, das Ensemble zu leiten. 15 Jahre hat er sie durch die Chorliteratur geführt und mit Konzerten Freude bereitet. Heute feiert Erich Lehnig seinen 90. Geburtstag. Klaus Büstrin
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