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Kultur: Im Potsdamer Herbstlicht

Wiederauflage von „Potsdamer Pastelle“

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„Bücher, die man kennen sollte“. So nannte der Berliner Feuilletonist Ludwig Sternaux 1920 die Sammlung über ganz persönliche Lesevorschläge für seine Zeitgenossen. Glücklicherweise hat sich der Kanon der Literatur, die man sich als Leser einst vorstellte, heute verschoben. Nationalistisch-Rührseliges ist darin wohl nicht mehr zu finden. Bis dahin hat Sternaux, der 1895 geboren wurde, vier Bücher geschrieben. Auch um den Weltklassiker Goethe dreht sich vieles in ihnen.

Sternaux‘ Bücher, es sind 22, die zu seinen Lebzeiten erschienen sind, werden wohl kaum zu den wichtigen Werken der deutschen Literatur zu rechnen sein. Doch sie sind zumeist von atmosphärischer Dichte und wurden liebevoll geschrieben. Das betrifft besonders seine fünf Bücher über Potsdam, die er zwischen den beiden Weltkriegen veröffentlichte. Eine untergegangene Welt wird darin wieder ins Leben geholt. Ohne eine Prise Wehmut kommt der Autor aber nicht aus. Ein wenig mehr Ironie hätte dem Ganzen, wie man es in den Potsdam-Büchern seines Schriftstellerkollegen Georg Hermann nachlesen kann, sicherlich gut getan.

Nun hat der Husum Verlag die „Potsdamer Pastelle“ aus dem Jahre 1930 wieder ediert. Eric Gloßmann fungierte als Herausgeber. Lediglich auf ein Kapitel der Originalausgabe über Wilhelmine von Bayreuth wurde verzichtet. Mit Fotografien von Günter Pump hat der Verlag versucht, das Buch zu schmücken. Die Ansichten der Parkanlagen und Schlösser wurden jedoch recht bieder und wohl ohne künstlerischen Anspruch auf‘s Bild gebannt. Eben Postkartenmotive, die man hundertfach im Souvenirladen erhalten kann.

„Potsdamer Pastelle“, das sind mit feinen Herbstfarben kolorierte feuilletonistische Miniaturen, die einen Spaziergang durch das alte Potsdam ermöglichen. „Märchenstill die breite Allee zwischen Drachenberg und Orangerie, leiser Blätterfall, schon schimmert der Rasen an den Rändern braun. Letzte Sonne spielt um das Belvedere, die Fenster glühen, in letzter Sonne suchen wir eine schattenfreie Bank, träumen in den Himmel hinauf “ Mit solch oder ähnlichem melancholischen Ton wird man durch das historische Potsdam geführt. Alles wirkt friedlich, verträumt, so als ob sich in der Stadt kaum dramatisches Leben abspielte. Und wenn davon doch einmal die Rede ist, dann wird das Ganze im milden Herbstlicht verklärt. Man legt das Buch dennoch nicht ohne Gewinn beiseite. Ludwig Sternaux ist nämlich ein kompetenter Begleiter, der ein suggestives Bild von den Schönheiten der Stadt entwirft – mit unendlich vielen Geschichtskenntnissen.

Das letzte Buch des Feuilleton-Redakteurs von Berliner Tageszeitungen und Chefdramaturgen der Ufa (ab 1934) „Wir fahren nach Potsdam“ erschien in seinem Todesjahr 1938. Den architektonischen Untergang von Potsdams alter Mitte 1945 und das Danach musste er nicht mehr erleben. Nicht nur die Melancholie hätte das Sagen gehabt, sondern Trostlosigkeit. Klaus Büstrin

Ludwig Sternaux: Potsdamer Pastelle, herausgegeben von Eric Gloßmann, Husum Verlag, 8,95 Euro

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