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Kultur: Im Reich der Paradiesvögel
Mit „La Cage aux Folles“ wird ab Freitag die Musical-Tradition am Hans Otto Theater fortgesetzt
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„Ich bin, was ich bin und was ich bin, ist ungewöhnlich.“ Auf wen träfe das mehr zu als auf die beiden Paradiesvögel Georges und Albin, die Betreiber und Stars des beliebtesten und schillerndsten Nachtclubs von St. Tropez „La Cage aux Folles“, dem Käfig voller Narren. Die allabendliche Show fasziniert und verwirrt das Publikum mit ihrem fantastischen Wechselspiel von Sein und Schein. Star der Show ist Zaza. Der bürgerliche Name ist Albin, ein Meister der Travestie. Albin lebt seit 20 Jahren mit Georges, dem Besitzer des „La Cage“, zusammen. Gemeinsam geht man schon lange durch dick und dünn. Beide kümmern sich um das Resultat von Georges’ einzigem „heterosexuellen Fehltritt“, seinen Sohn Jean-Michel. Er hat aber nun die Liebe seines Lebens gefunden, ein Mädchen namens Anne. Und so werden die Beziehungen von Albin und Georges eines Tages auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Die Eltern von Anne kündigen sich zu Besuch an. Sie möchten den zukünftigen Schwiegersohn kennenlernen. Annes Vater ist Politiker und vor allem ein erzkonservativer Sittenwächter. Die Probleme sind vorprogrammiert.
„La Cage aux Folles“ gehört zu den erfolgreichsten Musicals, das 1983 am Broadway seine Uraufführung erlebte. Hinreißende Musiknummern des Komponisten Jerry Herman gehen seitdem um die Welt. Das Hans Otto Theater setzt es derzeit unter der Regie von Ulrich Wiggers und unter der musikalischen Leitung von Ferdinand von Seebach in Szene. Bernd Geiling und Rafael Rubino spielen die Hauptrollen und am morgigen Freitag wird das Ergebnis zur Begutachtung freigegeben. Das Potsdamer Theater hat seit der Intendantenzeit von Tobias Wellemeyer sich wieder verstärkt dem Musical zugewandt. Ein Werk pro Spielzeit geht über die große Bühne am Tiefen See.
Aufführungen von Broadway-Musicals waren zu DDR-Zeiten in Potsdam rar, denn der Staat musste für die Tantiemen tief in die Devisentasche greifen. Und so wurde der Ruf nach eigenen Kreationen in Sachen Unterhaltung laut. Am Hans Otto Theater kamen somit die großen DDR-Musical-Erfolge zur Aufführung: „In Frisco ist der Teufel los“ von Guido Masanetz, „Alarm in Point l'Évêque“ von Conny Odd, „Mein Freund Bunbury“ und „Terzett“ von Gerd Natschinski – Musicals, die sich durchaus mit einer inspirierten Dramaturgie und dem Witz von Librettisten sowie dem Können und den ausgeprägten „Händchen für Tanzmusik“ der Komponisten vereinten. Doch hin und wieder durfte das Hans Otto Theater Devisen in Anspruch nehmen. Und so kam das populärste Musical „My fair Lady“ (Frederic Loewe) in Potsdam auf die Bühne. Mit den unvergesslichen Protagonistinnen Elvira Motz und Bärbel Lober inszenierte man es sogar zweimal. Seit vier Jahren steht der Klassiker mit Franziska Melzer als Eliza immer noch auf dem Spielplan. Nach der politischen Wende wurde das Musical-Angebot durchaus bereichert. „Cabaret“ von John Kander, „The Black Rider“ von William S. Borroughs und Robert Wilson oder auch „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ von David Yazbeck und Jeffrey Lane sind nur einige populäre Titel. Gespielt werden nach der Auflösung des Musiktheaterensembles in den 90er-Jahren die Musicals ausschließlich von Schauspielerinnen und Schauspielern des Ensembles, die mit besten sängerischen Qualitäten gesegnet sind.
In dieser Spielzeit also „La Cage aux Folles“. Entstanden ist das Werk nach der gleichnamigen Komödie von Jean Poiret, die 1973 in Paris uraufgeführt wurde. 1978 wurde sie verfilmt und eroberte 1983 auch den Broadway, nachdem sich Jerry Herman, der Schöpfer von Musical-Hits wie „Hallo, Dolly“ und der Autor und Schauspieler Harvey Fierstein des Stoffes angenommen hatten. Als Herman die Komödie in Paris sah, war er von ihr überwältigt. „Ich habe gelacht, geweint und war tief berührt. Ich sah das Ganze schon musikalisch in meinem Kopf. Ich rief meinen Agenten an und musste erfahren, dass schon andere an den Rechten interessiert waren. Ich war tief enttäuscht“, teilte er seinen Freunden mit. Doch fünf Monate später bekam Jerry Herman die Kompositionsrechte zugesprochen. „Die Musik floss nur so aus mir heraus, weil ich mit dem Stoff und den Charakteren eins war.“ Dies rührte wohl aber auch daher, dass der Komponist sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. „Es war die leichteste Partitur mit den geringsten Änderungen, die ich je geschrieben habe“, bekannte Herman. Es wurde das erste Musical um homosexuelle Beziehungen. Die Kritik bescheinigte dem Werk nach der Uraufführung, diese Komödie um Toleranz, Doppelmoral und Selbstachtung ist mit „Würde, Leidenschaft, Humor und Ehrlichkeit“ geschrieben worden.
Als sein Lebensgefährte Marty Finkelstein 1992 starb und er sich mit dem HIV-Virus selbst infiziert hatte, zog sich der 1931 geborene Jerry Herman in sein Haus in Bergen Hollywoods weitgehend zurück. Nach „La Cage aux folles“ hat er innerhalb von 20 Jahren nur noch zwei Musicals komponiert. „In meinem Haus liegen unzählige Skripte, von denen ich vier Seiten gelesen und sie dann zur Seite gelegt habe, weil sie einfach nicht unverbraucht oder abwechslungsreich genug waren. Ich möchte mit dem Komponieren beginnen, wenn ich bei einem Stoff die gleiche Woge der Begeisterung in mir spüre wie bei ,La Cage aux Folles’“, sagte Jerry Herman in einem Interview.
Premiere von „La Cage aux Folles“ am morgigen Freitag um 19.30 Uhr im Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse
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