Kultur: Im Sound von Zigarettenwerbung
Toni Kater und Diane im vollen Waschhaus
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Toni Kater und Diane im vollen Waschhaus Hunderte von Radiohörern haben Toni Kater wörtlich genommen und kamen ins Waschhaus. Seit Wochen bewegt sich fast unauffällig der Ohrwurm „Wo bist Du?“ im Äther, der die Aufforderung enthält: „Lass alles los und komm zu mir. Egal, wie weit es ist.“ Spätestens, wenn der Refrain fröhlich mitgeträllert werden konnte, tauchte die Frage auf: Wer singt da eigentlich? Da außer dieser ersten Single von der jungen Berlinerin noch nichts veröffentlicht ist, das dazugehörige Album erscheint erst im Juni, war das Konzert am Dienstag die einzige Möglichkeit zu erfahren, wer hinter dem sehnsuchtsvollen Frühlingshit steckt und wie die anderen Lieder von Toni Kater klingen. Schon die Vorband zentrierte sich um eine Frau, Diane, eigentlich Sängerin der kultigen Berliner Lemonbabies, die mit großen Kulleraugen und wiederholt erhobenen Zeigefinger das Publikum den fröhlichen Pop lehren wollte. Da alle auf gute Laune geeicht waren, funktionierte der leichtfüßige, gut gespielte Pop. Dass die Texte ohne jede Ironie Problemfreiheit propagierten, erinnerte an die munteren Zigarettenwerbespots im Kino und störte im Saal kaum jemanden. Alle schienen sich darüber einig, dass das Zentrum der Welt der Bauchnabel des Liebsten ist. Etwas introvertierter und zunächst weniger präsent wirkte Toni Kater schon aufgrund ihrer fragilen Körperlichkeit. Versteckt hinter dem Keyboard präsentierte sie die Lieder aus ihrem Universum, die zwar etwas melancholischer eingefärbt waren, aber inhaltlich dasselbe Terrain absteckten. Auch ihre Definition des Lebenssinns eines Mädchen ist die Sehnsucht nach der großen Liebe, die mit der allerbesten Freundin als Stütze das Dasein bestimmt. „Wo bist Du?“ zeigt, wie ein Popsong zu einem Lebensabschnittsgefährten werden kann, wenigstens einen Frühling lang. Im Laufe des Konzertes allerdings, waren die all zu einfachen Reime und die darin verpackte immer aufs Neue wiederholte Liebeserklärung an den Einen kaum auszuhalten. Auch die hin und wieder aufblitzenden Anleihen an die Neue Deutsche Welle, etwa in dem Song „Berlin“, genügen nicht, um wenigstens die Musik spannend zu machen. Die Rotzigkeit der 80er Jahre interessiert Toni Kater nicht. In ihrem Bemühen, einen eigenen Musikkosmos zu schaffen, tappt sie in die Klischeefalle Kitsch. Da es ihr aber weder an Musikalität, noch an Ambitioniertheit mangelt, wird es bestimmt noch mehr Ohrwürmer von ihr geben und vielleicht entpuppt sich Toni Kater noch als widerstandsfähiger und erwachsen gewordener Schmetterling der deutschsprachigen Popmusik.Helen Thein
Helen Thein
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