Kultur: Im Wiener Raritäten- Kabinett
Ohne seine Textvorlagen gäbe es keine „Schöpfung“ und „Jahreszeiten“. Ohne seine sonntäglichen Matineen in der Wiener Hofblibliothek, wo fast nichts außer Händel und Bach gespielt wurde, hätte Mozart deren kontrapunktische Künste womöglich nicht kennen gelernt.
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Ohne seine Textvorlagen gäbe es keine „Schöpfung“ und „Jahreszeiten“. Ohne seine sonntäglichen Matineen in der Wiener Hofblibliothek, wo fast nichts außer Händel und Bach gespielt wurde, hätte Mozart deren kontrapunktische Künste womöglich nicht kennen gelernt. Dieser Gottfried Bernhard van Swieten, der übrigens für sieben Jahre als österreichischer Botschafter am Hofe Friedrichs II. tätig war, erwies sich den Komponisten und Musen als mäzenatischer Glücksfall. Ihm galt die Musikfeststpiele-Hommage „Reiseziel: Wien“, das jedoch bereits im Tanzsaal des Schlosses Babelsberg seine Erfüllung fand. Dieser mutierte unversehens zum höchst bedeutungsvollen Raritätenkabinett.
Was Mozart beim Baron van Swieten gehört haben mag, verwandelte das Ensemble „NeoBarock“ in überaus heutige Klänge. Doch ob der Meister oft hingegangen wäre, wenn dort beispielsweise Händels G-Dur-Sonate op. 5 Nr. 4 für zwei Violinen und Basso continuo in so kurz angebundenem Ton musiziert worden wäre?! Volker Möller spielte eine Amati-Kopie, Maren Ries ein Originalinstrument aus einer Nürnberger Werkstatt Mitte des 18. Jahrhunderts. Das Violoncello (Ariane Spiegel) entpuppte sich als Stradivari-Nachbildung, das Cembalo (Gregor Hollmann) ebenfalls als eine Nachbildung von anno 1738. Mit ihren klangkräftigen Instrumenten entwickelten die Musiker übereinstimmende Soundvorstellungen. Sie spielten perfekt zusammen, liebten die klare Diktion, den kurz angebundenen Ton. All das verlieh ihrem mitunter distanziert oder kühl wirkenden Spiel eine Art von stromlinienförmiger Modernität.
In Mozarts D-Dur- und G-Dur-Konzerten nach Sonaten von Johann Christian Bach verwandelten sich die drei Streicher in ein Miniorchester, während das Cembalo mit virtuos-rauschenden Sololäufen brillierte. Vom „Londoner“ Bach erklangen zwei galante, hochglänzig und kapriziös musizierte Triosonaten (G-Dur, A-Dur) für 2 Violinen und B.c. Dessen Halbbruder Carl Philipp Emanuel, den Baron van Swieten seit Berliner Zeiten ins Herz geschlossen hatte, war mit der Triosonate d-Moll und der G-Dur-Sonate (BWV 1038) für Violine, Bratsche (ebenfalls Maren Ries) und B.c. vertreten. Hier endlich brach „NeoBarock“ die längst erhoffte spielerische Leidenschaft hervor Beide Stücke entstanden am Ende der Lehrzeit beim Vater Johann Sebastian Bach. Dieser wiederum war Anreger für Mozarts Adagio und Fuge KV 404 a, das klangherb von Violine, Bratsche und Violoncello gespielt wurde. Viel Beifall, eine Zugabe.
Peter Buske
Peter Buske
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