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Kultur: Im Würgegriff der Ostidentität

Im Filmmuseum: 65. Geburtstag von Ulrich Weiß

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Das Filmmuseum pflegt eine Erinnerungskultur, die hin und wieder von nur wenigen Zuschauer bedacht wird. Zum Geburtstagsabend des DEFA-Regisseurs Ulrich Weiß kamen höchstens Zwanzig und blickten um sich auf leere Stuhlreihen. Der Name des 65-Jährigen Weiß, so sehr er sich für Kenner mit hoher Filmkunst verbindet, spricht heute nicht mehr für sich.

Das mag daran liegen, dass schon die DDR an seinem Vergessen arbeitete. Bereits Anfang der achtziger Jahre stieß Weiß mit seiner individuellen Bildsprache auf Widerstand von oben. Nach „Olle Henry“ (1983) konnte er kein Projekt für die DEFA mehr verwirklichen, obwohl er als eines der größten Talente galt. In den ersten Jahren der Wende begann er wieder zu drehen (Miraculi, 1991), doch Erfolge und Finanzierungen blieben aus.

Die anspruchsvolle Aufgabe für ein Museum würde nun darin bestehen, das Werk von Weiß formal in den Kontext einer internationalen Filmgeschichte einzuordnen und damit selbstbewusst in der Gegenwart der Kinematografie zu arbeiten. Aber wie in einer Sanduhr gefangen, deren Körnchen sich langsam dem Ende zu neigen, markierte die Auswahl des Dokumentarfilms „Made in GDR“ von Olaf Kaiser, der vor der Diskussion gezeigt wurde, dass ein Film hier nicht als ästhetisches Kunstwerk, sondern hauptsächlich als Teil eines nostalgischen Erinnerungskultes einen Wert besitzt. Denn Kaisers Film hat so gut wie nichts mit Ulrich Weiß zu tun, sondern viel mit dem, was „verloren“ wurde. Der Mittvierziger Kaiser war als Jugendlicher Teil einer Gruppe, die regelmäßig im „Jugend Film Club“ des DDR-Fernsehens unter Anleitung eines Moderators gesellschaftliche Fragen anhand von ausgewählten Kinofilmen diskutieren durfte. Dreißig Jahre später sucht er nun für seine Dokumentation seine damaligen jungen Gesprächspartner auf. Schon die staatlich überwachten Redebeiträge der scheu in die Kamera blickenden Jugendlichen von damals sind in ihrer Angepasstheit unschlagbar öde. Der „Jugend Film Club“ war eine jener Sendungen, bei der man sofort auf Westfernsehen umschaltete. Kaiser scheut keine Mühen, die ehemaligen Mitglieder aufzustöbern. Wohl, weil er die vier Kameras, die ihn im Studio umkreisten, mit Bedeutung verwechselt hatte. Er schaltet einen Suchagenten ein, fährt nach Aachen, und fliegt nach Mittelamerika.Von den Ehemaligen kann sich keiner richtig an die Fernsehauftritte erinnern. Es wirkt komisch, wie der Dokumentarfilmer in die Anden reist, um Marian zu treffen, der dort die Panamericana mit dem Fahrrad abfährt, um ihn mit seiner IM-Akte zu konfrontieren.

Für das anschließende Gespräch mit Weiß und Kaiser war damit keine gemeinsame Grundlage geschaffen. Auch der Begriff der „Generationen“, der als verbindende Klammer vorgeschlagen wurde, half nicht. Der Moderator Gunnar Decker, Journalist und Publizist, nahm zunächst einmal den größten Teil der Redezeit von über einer Stunde für seine ausschweifend ziselierten Fragen selbst in Anspruch. Kaiser wurde kaum beachtet.

Immerhin kam Decker dazu, Weiß zuvor gezeigtes Spielfilm-Debüt „Tambari“ als „subtilste Filmkunst“ und „Kunstwerk ersten Ranges“ zu würdigen. Seiner Interpretation, die in dem Schiff, das im Film von Jugendlichen wieder seetüchtig gemacht werden soll, ein Bild für die „Sehnsucht nach Veränderung“ sah, wollte Weiß in seiner nüchternen Art nicht mitgehen. Er wäre erst einmal froh gewesen, mit Benno Pludras Buchvorlage ein gutes Drehbuch gefunden zu haben. Auch die Vermutung Deckers, dass sich in der Schiffsmetapher eine Positionierung in der Biermann-Affäre verberge, die sich zeitgleich zu den Dreharbeiten ereignete, musste Weiß widersprechen. Wenn man einen Film mache, erzählte Weiß, wäre man sehr beschäftigt und schotte sich von äußeren Einflüssen ab. Ulrich Weiß ging es immer nur um den Film.

Weder die bemüht intellektuellen Dechiffrierungsversuche als politisch nonkonform durch Decker, noch der Würgegriff einer unsterblichen Ostidentität, wie ihn Kaiser anlegte, konnten dem Regisseur so gerecht werden. „Ich mache l“Art pour l“Art“, bekannte er sich zu einer in der DDR stets verpönten Kunsthaltung. Dem Wunsch aus dem Publikum nach einem „neuen Uli Weiß“ antwortet er mit Skepsis. Wahrscheinlich habe er seine Filme gemacht, er könne nicht mehr „Klinken putzen“. Dann lächelt er: „Vielleicht würde mir aber was einfallen“. Matthias Hssenpflug

Matthias Hssenpflug

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