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Kultur: Immer neue Drachenköpfe

„Der Müller und der König von Sanssouci“: Erschienen im Wolbern Verlag Potsdam

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Dieser Müller spukt ihm im Kopf umher, verleidet ihm sogar das Flötenspiel. Wie soll er entscheiden? Da wirft ihm der Mehl mahlende Nachbar doch tatsächlich vor, dass sein neu erbautes Schloss Sanssouci den Mühlenbetrieb störe, weil es den Wind wegnehme. Natürlich könnte Friedrich diesem aufbegehrenden Menschen, der nicht mehr die volle Pacht bezahlen will, einfach die Mühle wegnehmen. Aber sein Vater hat ihn nun einmal gelehrt, ein strenger, aber auch gerechter Herrscher zu sein.

Bereits früh merkt Friedrich auf seinem nicht gerade mit Begeisterung angetretenen Posten, dass Strenge einfacher zu handhaben ist als Gerechtigkeit und man zwischen beiden ständig abwägen muss. Oft verflucht er die Gerechtigkeit, der wie dem Drachen aus einem Märchen immer neue Köpfe zu wachsen scheinen. Das Problem mit dem Müller lässt ihn sogar nachts nicht los, ja er sieht ihn im Geiste vor sich. „Gespenster oder vielleicht der alte Vater? Gönnt er mir nicht mein Sanssouci?“

Die gruseligsten Kreaturen tanzen vor seinem inneren Auge, ballen die Hand drohend zu Faust, so wie es einst der Vater tat. Friedrich hört im Schlaf dessen Worte: „Sei ein Herrscher der Gerechtigkeit, und übe sie gegen alle, denn nur so wirst du ein großer König.“ Danach fühlt er Schweiß auf Brust und Stirn.

Die Potsdamer Autorin Anna Vilsen hat der bekannten preußischen Legende einen hintergründig-philosophischen und auch psychologischen Stempel aufgedrückt, ohne sie mit Ballast zu beschweren. In ihrer poetisch-unterhaltsamen Betrachtung, in der sie wie bei jeder Legende nur spekulieren kann, ist der Alte Fritz ein Mensch aus Fleisch und Blut. Die bekannte Geschichte um den Rechtsstreit zwischen König und Müller ist für die Schriftstellerin eine Folie, die von jeder Staubschicht befreit, eine Charakterstudie zum Vorschein bringt und die Schlossmauern durchsichtig werden lässt. Man sieht die Kerzen flackern, den König Gedanken verloren in seinem Sessel versinken, dann wieder die Lakaien mal mit dem Stock, mal mit guten Worten bedenkend. „Ist es die Anmut des Dieners, wenn er sich großzügig gibt? Sieht er den Falsch in den Augen, wenn er Härte anlegt?“ Dieser Friedrich ist ein kluger Kopf und auch ein Mann mit großen Gefühlen, die ihm in der Kindheit allerdings arg zurecht gestutzt wurden.

Die Radierungen von Heike Wadewitz nehmen feinnervig mit in dieses Reich der Legende, das doch versucht, ein sehr genaues, reales Bild zu zeichnen. Die schwarz-weißen Grafiken passen zu der Strenge, die sich der Philosoph auf dem Thron selbst auferlegt hat – nachdem er aus dem Schatten des Vaters herausgetreten und ihn doch ein Leben lang nicht los geworden ist.

„Der Müller und der König von Sanssouci“ von Anna Vilsen, Radierungen von Heike Wadewitz, Wolbern Verlag Potsdam

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