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Jetzt ohne großes Bühnengedöns unterwegs. Michael „Bodenski“ Boden sucht sein Glück auf Solopfaden.

© Andreas Klaer

Kultur: Immer sterben die Mädchen

Mit dem Album „Auto“ erfüllt sich der Potsdamer Musiker Bodenski einen lange gehegten Traum

Stand:

Nichts werde einem im Leben geschenkt, auch das Glück nicht. Michael Boden ist ein bisschen die berühmte Ausnahme dieser Regel, einer, der sich dreist und entspannt dem Glück entgegenwirft. Sich nimmt, was er will. Man muss natürlich erstmal wissen, was das ist.

Michael Boden, oder Bodenski, Gründungsmitglied, Gitarrist, Sänger und Texter der Potsdamer Band Subway to Sally, kurz STS, „verspürte nach 20 Jahren demokratischer Bandprozesse eine Sehnsucht, selbst entscheiden zu können“. Wollte den ergebnisorientierten Profimusiker hinter sich lassen und einfach nur so für sich experimentieren. Wie damals, als er gelegentlich die Kneipenband seiner Frau Jeanette bei Auftritten begleitete. Es war entspannend, an solchen Abenden einfach mal die Gitarre rauszuholen. Kein großes Bühnengedöns wie bei STS, keine Verkleidung, keine Pyrotechnik.

Jahre später begann er mit seinem Album, das nun fertig ist. Ein Fitzelchen Glück, das irgendwie noch gefehlt hatte. Der Titel „Auto“ stand von Anfang an fest, bezugnehmend auf die Bedeutung der griechischen Vorsilbe: Selbst, eigen, persönlich.

Nun hat er also was Eigenes, und es sieht so aus, als tue es ihm gut. Klar werden sich bestimmt einige wundern, Kollegen, Freunde: „Hä, was macht denn der Bodenski jetzt? Braucht doch kein Mensch!“ Und dann lehnt sich der Musiker auf der Plüschbank des Café Heider zurück und sagt nonchalant: „Kann mir alles egal sein. Das ist doch das Schöne“. Vor ihm auf dem Tisch das Begleitheftchen der CD mit Fotos, die ihn in entspannten Posen zeigen, schwarz vor blutrotem Hintergrund. Einmal sogar mit einem zarten Lächeln. Das wäre bei STS, wo schon aus Prinzip grimmig geschaut wird, nie gegangen.

Zehn Lieder sind darin verpackt. Probehörer meinen, sich partikulär an Keimzeit oder Element of Crime erinnert zu fühlen. Bodenski will das nicht leugnen. „Sven Regener schätze ich sehr“.

Für manche Stücke hat er die Texte aus der Schublade geholt, Material, das nicht zu Subway gepasst hatte. Doch die Sammlung ist bei Weitem keine Resteverwertung. Vieles hat Bodenski neu geschrieben, über Zwischenmenschliches, Sehnsüchte, Suche. Eine punktuelle Affinität zur mittelalterlichen Themenwelt verbindet sich mit bildhafter Sprache des wortgewandten Viellesers. Auffällig gleich beim ersten Hören die ironiegeladene Spannung zwischen vermeintlich dahinplätschernder Nebenbeimusik mit gefälligen Harmonien – und den schwarzen Texten, obwohl er es so kontrastreich gar nicht mag: Wenn schon schwarz/weiß, dann müsse irgendwo ein roter Blutstropfen oder ein heller Lichtstrahl ins Bild, findet er. Tatsächlich gelingt es ihm so, aus haarscharf am Kitsch vorbeisegelnden lyrischem Herz-Schmerz einen Song zu machen, dem man zuhört – auch wenn man sich allerdings fragt: Braucht das die Welt , wenn Pfarrerstöchter am Sonntag sterben und junge Mädchen im Weltschmerz dahinsiechen?

Es sind immer die jungen Mädchen, die sterben. So auch in der deutschen Coverversion eines Nick Cave-Songs, eines der schönsten Stücke: „Wo wilde Rosen blühen“ singt er zusammen mit seiner Frau. Bei fast allen Liedern ist sie mit dabei. Das gemeinsame Projekt war schon lange versprochen gewesen. „Jeanette ist meine Kraftquelle und meine beste Kritikerin“, sagt er. Sie wird auch mit auf Tour gehen, zum ersten Mal nicht zu Hause warten – ein weiteres Thema in den Liedern. Abschied, Warten, Ankommen. Über sich selbst sagt Bodenski, irgendwo angekommen zu sein. Und es fühle sich gut an. Dann aber singt er „Wenn ich nach Hause komm“, eine Aufzählung mancherlei Nettigkeiten, die er seiner Familie bescheren wird, von Aufräumen bis Kuchenbacken. Und bekennt im Refrain: „Doch zurzeit streif ich nur umher...“

Auch privat ist er momentan eher unstet. Baut gerade ein Haus in einem Wohnprojekt gemeinsam mir Freunden. „Wenn wir dann alle gleichzeitig alt werden“, sagt er, „lohnt sich der Einsatz der Krankenschwester wenigstens“.

Michael Boden wurde 1965 in Potsdam geboren, arbeitete nach der Schule bei der Defa und studierte anschließend Germanistik und Soziologie, „die Fächer, wo man am wenigsten zu tun hat“, erklärt er die Auswahl. Immer macht er irgendwie Musik, schreibt Texte und Gedichte. Seine erste Band: Bodenski-Beat, 1992 folgte Subway to Sally, vielleicht die berühmteste Band aus Potsdam, in der Genre-Schublade Mittelalter-Heavymetal-Folkrock im ganzen deutschsprachigen Raum bekannt. 1500 Konzerte habe er „auf der Uhr“, sagt der Profimusiker.

Das beruhigt ihn derzeit wenig. Mit dem Akustik-Programm der CD geht er in März und April quasi als Vorband für den STS-Kollegen Eric Fish auf Tour. „Zum ersten Mal verlasse ich meine bequeme Bühnenposition rechts außen und steh allein im Fokus“, das mache ihn doch ein bisschen nervös. Die Konzerte bestreitet eine andere Crew als die, mit der er im Studio war. Das Album spielte er mit Rainer Engelmann am Bass, Ben Jacob an der Gitarre und Peter Eichstädt an Piano und Akkordeon ein. Simon Michael saß am Schlagzeug. Auf diesen sowie den Bass wird während der Live-Auftritte verzichtet, schweren Herzens, aber „es musste alles in ein Auto passen“.

Die Record Release Party findet am morgigen Sonntag um 20 Uhr auf dem Theaterschiff statt. Der Eintritt ist frei.

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