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Kultur: Immer wieder fragen: „Wovon träumst Du?“

Gespräch mit Petra Schmidt-Schaller im Thalia

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Sie zieht die Blicke auf sich. Nicht nur auf der Leinwand. Während Petra Schmidt-Schaller in dem Film „Ein fliehendes Pferd“ von Rainer Kaufmann durch ihr Sexappeal und durch ihre flippige, naive und doch auch couragierte Art die reiferen Herren Helmut (Ulrich Noethen) und Klaus (Ulrich Tukur) in den Bann zieht, überzeugt sie im Zuschauergespräch am Montag Abend im Thalia vor allem durch ihre herzliche Offenheit. Ihr Lachen ist frisch, die Neugierde groß und die Antworten geradezu. Vielleicht gibt auch die Freundin neben ihr, die die Gesprächsrunde angeregt hat und sehr charmant moderiert, zusätzliche Sicherheit. Maria Manewitsch, die Lehrerin vom Kant-Gymnasium Teltow, war sechs Jahre Petra Schmidt-Schallers Banknachbarin in der Schule. Bis heute sind sie engste Freundinnen. Als Petra ihr Debüt als Julia am Theater in Weimar hatte, zitterte die Freundin im Parkett mit. Heute freut sie sich, dass der Kinofilm so viel Zuspruch beim Publikum findet und bei Mann und Frau ganz unterschiedliche Reaktionen hervor ruft.

Drei Jahre war Petra Schmidt-Schaller am Nationaltheater Weimar engagiert, bevor sie wieder ins heimatliche Berlin zurück kehrte, um trotz der anhaltend großen Liebe zur Bühne auch das Filmgeschäft kennen zu lernen. Und das erste „Rendezvous“ ließ nicht lange auf sich warten. „Als ich allerdings einen Drehbuch-Ausschnitt zugeschickt bekam und darin las: ,Du kennst Dich aber gut aus im Vögeln“, dachte ich nur: ,Oh Gott, diese Alt-Herren-Witze“ und wollte nicht zum Casting gehen.“ Doch ihre Agentin ermunterte sie: „Du, Katja Riemann wird nicht umsonst für den Film zugesagt haben.“ Beim zweiten Casting hatte die Film-Einsteigerin dann schon die Novelle von Martin Walser gelesen, die als Grundlage für „Fliehendes Pferd“ diente. Und die fand sie durchaus spannend. Petra Schmidt-Schaller, Tochter des Schauspielers Andreas Schmidt-Schaller, überzeugte Regisseur Rainer Kaufmann wohl vor allem mit ihrer Mischung aus der Reife einer End-20-erin und dem Hauch von Unschuld.

Dass es sich um eine Literaturverfilmung handelte, schreckte das Team keineswegs ab, „zumal Martin Walser gleich zu Beginn zu uns sagte: ,Macht Euch keinen Stress,gestaltet Eure Rollen, ich sehe es als separates Werk“.“ Zudem sei der Focus nicht auf das gesellschaftliche Umfeld gelegt worden, wie im Roman, sondern auf die Beziehungen der zwei so unterschiedlichen Paare, „bei denen Romantik und Ausgeflipptheit fast auf Tod trifft“, wie ein Zuschauer im Thalia treffend formulierte.

Das Wunderbare beim Drehen am Bodensee sei für sie der Freiraum gewesen, den der Regisseur den Darstellern einräumte. „Er nimmt, guckt und leitet fast unsichtbar.“ Natürlich sei sie aufgeregt gewesen, mit drei namhaften Schauspielern zusammen zu arbeiten, „aber ich bin in einer Schauspielerfamilie aufgewachsen, da sieht man zuerst den Menschen.“ Sie mussten sich anfangs schon aufeinander einschießen, „Ulrich Noethen und ich haben dazu eine Woche gebraucht. Dann wurde es sehr eng.“ Und schließlich hat er ihr auch seine Koch- und Backrezepte anvertraut, die ihm in den Drehpausen genauso wichtig waren wie das Thema Wein und Venedig.

Obwohl sie den Film inzwischen schon zum sechsten Mal gesehen hat, mit immer anderen Gefühlen, entdeckte sie gerade bei Ulli Noethen immer noch neue Facetten. Beim ersten Anschauen habe sie bei einigen Szenen allerdings gedacht: „,Schade“. Denn beim Schneiden wird manchmal etwas vom Erzählprozess des Schauspielers weggeschnitten, was dir in der eigenen Rolle wichtig ist. Aber ich bin beim Zuschauen nicht gestorben“, sagt sie lächelnd. Auch wenn der Film vor allem Zuschauer ab 30 Jahren aufwärts etwas gebe, verstehe man ihn auch früher: „Jedenfalls, wenn es in der Beziehung schon einmal so richtig weh getan hat. Auf jeden Fall suggeriert die Geschichte: Man sollte nicht aufhören, den Partner zu fragen: ,Wovon träumst Du?““

Der Kinogänger muss nicht allzu lange warten, um das schöne unverstellte Gesicht von Petra Schmidt-Schaller wieder auf der Leinwand zu sehen. Im März kommt ihr Debütfilm „Übermorgen. Nirgendwo“, den sie schon vor „Fliehendes Pferd“ drehte, in die Kinos. „In dieser Satire spiele ich eine junge Kommissarin, die sich als Braut verkleidet und die Mafia verfolgt. Und in ,Nacht vor Augen“, eine SWR- und vielleicht auch Kinoproduktion, bin ich die Freundin eines Bundeswehrsoldaten, der in Afghanistan einen kleinen Jungen erschossen hat. Er bekommt eine Medaille und man sagt zu ihm: ,Sprich nicht weiter drüber“.“

Die frohgemute junge Frau weiß heute, dass man vor der Kamera genauso stark arbeiten muss, wie am Theater. Und sie lauert weiter auf Angebote von beiden Seiten. „Wir Schauspieler sind Wandersleute. Wenn man sich für den Beruf entschieden hat, ist es wie eine Sucht. Da schiebt man mit Gelassenheit auch den Kinderwunsch um fünf Jahre hinaus,“ so die 27-Jährige, die erst einmal ihre eigenen Träume lebt. Heidi Jäger

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