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Von Dirk Becker: Impressionen in Textil
Zuerst denkt man noch an Kunsthandwerk: Die Ausstellung „Wandlungen“ auf der Freundschaftsinsel
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Ein Wort mag Jutta Lademann überhaupt nicht hören, wenn über die Werke in der aktuellen Ausstellung „Wandlungen. Textil & Papier“ gesprochen wird. „Schreiben Sie bloß nicht Bastelei“, sagt die resolute Dame, die freundlich aber bestimmt durch den Pavillon auf der Freundschaftsinsel führt und zu jedem Künstler etwas zu sagen hat. Für die fast 80-jährige Jutta Lademann ist es Bedürfnis und Leidenschaft zugleich, wenn sie über die Textilkunst spricht, der seit vielen Jahren ihr Herz gehört und mit der sie bei vielen noch immer auf zahlreiche Vorurteile stößt. So blieb sie auch hartnäckig mit ihrer wiederholten Einladung, doch mal persönlich auf der Freundschaftsinsel vorbeizuschauen und sich selbst ein Bild von den 49 Arbeiten Potsdamer und Berliner Textilgestaltern zu machen, die hier noch bis zum 8. Januar zu sehen sind.
Ein erster, kurzer Rundgang durch die Ausstellung „Wandlungen. Textil & Papier“ genügt, um Jutta Lademanns Befürchtungen sofort zu zerstreuen. Von „Bastelei“ kann hier nicht die Rede sein. Und auch die mit Textilgestaltung oft schnell und voreilig in Verbindung gebrachte Handarbeit in Form von Stricken, Häkeln oder Nähen ist hier nicht zu sehen. Es sind vor allem Collagen, die von den Künstlern, alle Mitglieder im Fachverband Textilunterricht e.V., ausgestellt werden. Ein Teil dieser Collagen ist so gehängt, dass sie auch sehr gut von außen durch die großen Fenster des Pavillons auf der Freundschaftsinsel zu betrachten sind. Doch dieser etwas distanzierte Blick durch das Fensterglas kann den Rundgang durch die Ausstellung nicht ersetzen, denn vieles erschließt sich hier erst durch den beständigen Wechsel von Distanz und Nähe.
Das Impressionistische überwiegt bei den unterschiedlichen Arbeiten von den zwölf Künstlern. Es sind Motive und Themen, die ihren Reiz oft erst nach längerem Betrachten und aus unterschiedlichen Entfernungen oder Blickwinkeln entfalten. So wie Sabine Braunes Trilogie „Ferne Galaxien“, die aus gewisser Entfernung wie die willkürlichen Muster von Wurzelgeflechten oder Wasserflecken an alten Mauernwirken, überhangen von Spinnweben. Doch wer näher tritt, die gewölbten, rauen Oberflächen, die unterschiedlichen Materialien betrachtet, der kann hier ein Entstehen ferner Galaxien beobachten. Lore Linkes farbkräftige „Verweht“ lässt einen an Monet denken, Sigrid Münsters drei Collagen zu den Gedichten „Der Pflaumenbaum“, „Die Pappel am Karlsplatz“ und „Der Holderstrauch“ von Bert Brecht dagegen lassen Vergleiche zu Hermann Hesses naiven Landschaftsbildern aufkommen. Helga Graupners Zyklus „Tektonik“ nimmt das Weben auf und lässt so, im wahrsten Sinne des Wortes, ein vielschichtiges Gebilde entstehen.
Die Anspielungen und Assoziationen zur Malerei sind willkommene Nebenwirkungen beim Besucher der Ausstellung. Denn die Künstler haben in ihren Arbeiten mit Papier, Filz, Seide, Blech oder Folie bewusst diese Nähe zur Malerei gesucht, um so neue Möglichkeiten für ihre Collagen oder Skulpturen zu eröffnen. „Es ist nicht Kunsthandwerk, was wir hier zeigen. Unser Anspruch ist ein künstlerischer“, sagt Jutta Lademann, die auch mit eigenen Arbeiten in der Ausstellung vertreten ist. Der Phantasie sind beim Betrachten keine Grenzen gesetzt. Doch von Bastelei soll hier niemand reden.
Die Ausstellung „Wandlungen. Textil & Papier“ ist noch am 27. Dezember, dem 2., 3. und 8 Januar, jeweils von 12 bis 16 Uhr, im Pavillon auf der Freundschaftsinsel zu sehen. Der Eintritt ist frei
Dirk Becker
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