zum Hauptinhalt

Kultur: In allen Epochen zu Hause

Matthias Jacob spielte auf der Woehl-Orgel in der Friedenskirche eine CD ein

Stand:

Obwohl die Woehl-Orgel in der Friedenskirche Sanssouci vor gut eineinhalb Jahren geweiht wurde, ist ihr Erklingen in Gottesdiensten und Konzerten noch nicht zur Alltäglichkeit geworden. Das Hören dieses Instruments versetzt immer wieder in Erstaunen. Sein wohl beinahe unerschöpflicher Klangreichtum vermag die Epochen der Musikgeschichte lebendig werden zu lassen. Der Marburger Orgelbauer Gerald Woehl hat neben seinen eigenen Klangvorstellungen die der einstigen Kollegen, die am Vorgängerbau tätig waren, mit hinzugefügt. Somit erlebt man sowohl eine historische wie eine Orgel des 21. Jahrhunderts.

Diese „Königin“ ist fraglos eines der kostbarsten Instrumente in der Landeshauptstadt. Am heutigen Heiligen Abend und an den Weihnachtsfeiertagen hat sie ihre Hohe Zeit. Sie muss unaufhörlich ihren Dienst in Christvespern und Gottesdiensten versehen. Ab sofort kann man die „Königin“ aber auch in den eigenen vier Wänden residieren lassen. Matthias Jacob, der Organist und Kantor der Friedenskirche, hat im Herbst eine CD eingespielt, die nun rechtzeitig zum Weihnachtsfest vorliegt.

Der Kirchenmusiker stellte ein Programm für diese Aufnahme zusammen, das die Vorzüge des Instruments betont, nämlich seinen sinfonischen Klang. Er verzichtete auf Musik des sonst allgegenwärtigen Johann Sebastian Bach. Dafür ist Sohn Carl Philipp Emanuel Bach vertreten, der enge Beziehungen zu Potsdam hatte. Er war Cembalist in der Hofkapelle Friedrich des Großen. Aus seinem Orgelmusik-Oeuvre ist auf der CD die Fantasie und Fuge c-Moll zu hören, ein Werk, das in seiner polyphonen Klarheit an das Werk seines Vaters erinnert. Danach lässt Jacob die f-Moll-Sonate Felix Mendelssohn–Bartholdys erklingen, ein Opus, das das Vorbild zum großen Bach zwar nicht leugnet, aber eine eigene große Meisterschaft erreicht. Die ergreifende Kantabilität dieser viersätzigen Orgelsonate, die im ersten Satz den Choral „Was mein Gott will, das g“scheh allzeit“ verarbeitet und die im letzten mit virtuosen Läufen brilliert, musiziert Jacob nicht als Rührstück, sondern mit einer auf Transparenz abzielenden Registrierung. Solcherart Musizieren entdeckt man auch bei den anderen Werken auf dieser Aufnahme, bei dem Franzosen Cesar Franck und seinem Choral pour Grand Orgue h-Moll sowie bei der Sonate c-Moll (94. Psalm) des Liszt-Schülers Julius Reubke, der 1858 bereits mit 24 Jahren starb. Für Franck war der Choral Gebet und Lobgesang zugleich. Alles Lyrische und Pathetische in seiner Musik ist Ausdruck einer tiefen Religiosität des Komponisten. Davon zeugt auch Reubkes Vertonung des dramatisch angelegten Psalms. Der junge Musiker hat sich wie sein Lehrer Franz Liszt der sinfonischen Dichtung in der Orgelmusik zugewandt. Sie folgt dem textlichen Vorwurf aber nur sinngemäß, jedoch vertiefend. Die c-Moll-Sonate ist eine ausgeprägt orchestrale sinfonische Dichtung, voll grandioser musikalischer Erfindungen. Auch dieses Werk bedarf eines Organisten, der ein Meister der Orgelmusik-Interpretation ist. Matthias Jacob ist ein solcher, der es versteht, mit leidenschaftlicher Deklamation, Innigkeit und Bravour die unglaublichen musikalischen Dimensionen des Reubke-Werkes zu erfassen. Bereits zur Orgelweihe am 27. Juni 2004 musizierte der Kirchenmusikdirektor dieses Opus im Konzert.

Jacob hat ein sehr vertrautes Verhältnis zur Musik des Rehbrücker Komponisten Gerhard Rosenfeld. Neben Kammermusik hat er auch die auf der CD zu hörenden Tre Visionen aus dem Jahre 1992 mehrmals aufgeführt. Die an Olivier Messiaen orientierte Orgelmusik Rosenfelds besticht durch ihre formale Klarheit und gezügelten Emotionen. Die Interpretation ist eine schöne musikalische Bereicherung der Aufnahme. Auch sie ist ein Beispiel dafür, wie souverän Matthias Jacob mit den Stilepochen der Musikgeschichte umzugehen vermag.

Klaus Büstrin

Die CD „Orgelmusik auf der Woehl-Orgel“ ist für 15 Euro im Internationalen Buch, in der Stiftungsbuchhandlung sowie in der Friedenskirche Sanssouci erhältlich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })