
© M. Thomas
Kultur: In Bewegung
Das Denkmal für den unbekannten Deserteur wurde saniert und auf ein Fundament gesetzt
Stand:
Wer am Platz der Einheit zu Fuß unterwegs ist, hat es meistens eilig, will irgendwohin. Das Denkmal für den unbekannten Deserteur nimmt man dann im Vorbeilaufen nur selten wahr. Dabei leuchtet die Skulptur in der Märzsonne. An der nach Süden gewandten Seite ist der weiße Marmor fühlbar wärmer, die Schattenseite glatt und kühl. Dort hat das Wetter auch die meisten Spuren hinterlassen. In den steinernen Adern liegt feiner Staub – und macht die Oberflächenstruktur sichtbar. „Es ist eben Carrara-Marmor, der gehört eigentlich nicht hierher in unsere Breiten“, sagt Roland Schulze. Deshalb wurde in den vergangenen zwei Jahren das Denkmal wieder und wieder geputzt, repariert, gepflegt. Am heutigen Donnerstag um 11 Uhr wird es nach der Sanierung neu eingeweiht. Zuletzt wurde die Platte mit der Inschrift erneuert: „Uns fehlen Tafeln / uns fehlt diese eine. Hier lebte ein Mann, der sich geweigert hat, auf seine Mitmenschen zu schießen. Ehre seinem Andenken. Kurt Tucholsky. Die Tafel (1925). Für die unbekannten Deserteure. Entwurf und Gestaltung: Mehmet Aksoy“.
Seit fast 25 Jahren steht die Skulptur an der prominenten Ecke, an der man oftmals zu eilig vorbeiläuft. Eigentlich so, wie auch der Deserteur in Bewegung ist – unsichtbar, aber doch irgendwie anwesend, zumindest als Spur. Wer es umschreitet, entdeckt die ganz unterschiedlichen Perspektiven, die der türkische Bildhauer Mehmet Aksoy in die drei aneinander und übereinander gelegten Marmorblöcke hineingearbeitet hat. Wie in einer Gussform sieht man den Abdruck eines Mannes, der läuft, sich möglicherweise durch etwas hindurchzwängt. Eine kraftvolle Gestalt muss es sein. Die glatte Oberfläche im Marmor signalisiert aber auch Verletzbarkeit wie bei einer Haut. Unter den Ausbuchtungen für die breiten Schultern zeichnen sich Rippenbögen im Marmor ab. Darunter schmale Hüften, das Geschlecht, kräftige Beine. Er ist barfuß, er rennt um sein Leben. Und doch ist diese Person, um die es – stellvertretend für viele – hier geht, nicht da. Der weiße, an manchen Stellen wie angenagte oder auch glattgeschliffene Marmor wirkt wie ein skurriles Fossil.
Nach Potsdam kam das Deserteurdenkmal über einen Umweg. Mehmet Aksoy hatte die Skulptur für Bonn gebaut, dort wurde sie im September 1989, wenige Wochen vor dem Zusammenbruch der DDR, aufgestellt. Ziemlich genau ein Jahr später wurde sie zum zweiten Mal enthüllt – in Bonns Partnerstadt Potsdam. Angedacht war ein Aufenthalt von sechs Monaten – doch das Denkmal blieb. Manchmal ist es Treffpunkt für Demonstranten, manchmal kritzeln Verliebte ihre Initialen darauf. Die Firma Roland Schulze muss immer wieder Graffiti entfernen.
Neben dem sauren Regen, den es in der Antike schließlich nicht gab, ist das kalte mitteleuropäische Klima der größte Feind des edlen Materials – vor allem der Winter. Dort, wo Feuchtigkeit in feine Risse eindringt und bei Minusgraden gefriert, kann es zu Abplatzungen kommen. Gut zu erkennen sind solche schadhaften Stellen vor allem in Bodennähe. „Bei Regen erreicht das Spritzwasser eine Höhe von etwa 30 Zentimeter, das ist die kritische Zone“, sagt Statiker Steffen Stich vom beauftragten Ingenieurbüro. Aus denkmalpflegerischer Sicht hatte man deshalb der Stadt vorgeschlagen, die Skulptur den Winter über mit einem Holzhäuschen zu schützen. „So wie man das auch mit den Statuen im Park Sanssouci macht“, sagt Stich. Im Winter 2010/11 wurde das auch praktiziert. Doch das sei bei den politischen Vertretern der Stadt nicht auf Gegenliebe gestoßen – das Denkmal sollte nicht versteckt werden, habe es geheißen. Man werden nun wohl mit den Schäden leben müssen, so der Statiker. „Das Denkmal ist also etwas Lebendiges.“
In den vergangenen Monaten musste dennoch einiges am „Deserteur“ gemacht werden. Vor allem wurde die Skulptur endlich auf ein Fundament gesetzt. „Sie wurde damals nach Anlieferung einfach auf Europaletten gestellt, und als der Platz umgestaltet wurde, einfach auf die Erde“, sagt Stich. Mit der Zeit senkte sich stellenweise der Boden, es kam zu Verschiebungen der Marmorblöcke, die zwar mit kleinen Stahldübeln verbunden sind – die jedoch nicht die komplette Last halten können. Stückweise wurde nun ein Fundament unter die Skulptur gesetzt. Immer ein kleines Areal wurde ausgeschachtet, der Marmor dabei abgestützt. Gegen die Feuchtigkeitsschäden soll die neue Bodengestaltung helfen. Grober Kies wurde rundherum aufgeschüttet, ein dekorativer Metallrahmen friedet alles ein. Regentropfen, die nun auf die runden Steine prallen, spritzen in alle Richtungen weg – erheblich weniger Wasser landet direkt an der Skulptur. „Das ist eine gängige Maßnahme“, sagt Stich. Steffi Pyanoe
Etwa 180 Bau- und Kunstdenkmale gibt es in Potsdam im öffentlichen Raum. Im Auftrag der Stadt kümmert sich die Firma Baudenkmalpflege Roland Schulze kontinuierlich um Wartung und Restaurierung der Werke – das älteste ist die Stadtmauer in der Fischerstraße, das derzeit jüngste der Musikpavillon am Luftschiffhafen. Die PNN sind ab sofort regelmäßig mit dabei.
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