Kultur: „In Goshas Kopf sind tausend Bilder“
Die indische Künstlerin Gosha Nagashima-Soden hat in Potsdam eine Galerie eröffnet
Stand:
Ihren ersten öffentlichen „Auftritt“ in Potsdam wird sie in einer Holzhütte auf dem Weihnachtsmarkt des Kronguts haben. Für die indische Künstlerin Gosha Nagashima-Soden, die ihre Werke bereits in internationalen Galerien und Museen ausgestellt hat, scheint dieses Eintauchen ins Menschengetümmel genau das Richtige, um sich ihrer neuen Heimatstadt annähern zu können. Sie freut sich auf einen engen Kontakt und hält auch ihre gerade fertig ausgebaute Privatgalerie für Besucher offen.
Dort wird der Gast derzeit mit knisterndem Kaminfeuer und wärmendem Kräutertee empfangen. Die unverputzten Backsteinwände in ihrer Remisenwohnung im Hinterhof der Dortustraße stehen in einem spannenden Kontrast zu den bis zur Decke aufragenden Regalen mit zarten, farbenprächtigen Glasgefäßen, die das hereinfallende Licht zum Funkeln bringen. Gosha hat bereits Tausende dieser kleinen und großen Gebrauchsgefäße, wie Wind- und Teelichter, mit immer neuen Dekoren versehen: jedes ein Gedicht, das den Wandel durch die Jahreszeiten beschwört. Luftige Frühlingstöne im zarten Rosa und Grün bis zu satten Rot- und Goldtönen des Herbstes zieren die Behältnisse. Und auch die klirrenden kalten Wintertage spiegeln sich in ihren blau und weiß bemalten Schöpfungen in klaren Akzenten wider.
Die vielen kleinen Töpfchen, aus denen sie ihre Farben zusammen mischt, stehen wohlgeordnet neben den verschiedensten Pinseln auf dem großen schweren Schreibtisch aus dunklem Eichenholz. Während unseres Gesprächs hat sich der dicke schwarze Kater auf dem Künstlerstuhl niedergelassen, auf dem sonst Gosha oft bis in die Nacht hinein mit sicherer Hand das Glas mit floralen und ornamentalen Gespinsten überzieht. Mal ganz dicht auf der Fährte der Natur, dann wieder mit freien abstrakteren Formen.
Bei Gosha ist nichts festgezurrt, sie mag es, zwischen den Formen und Stilen zu wandern, ihren Blick vor- und zurück zu zoomen: Die große Welt im Kleinen zu finden und umgekehrt. Auch aus ihren Bildern spricht dieser wechselnde Focus. In den Frauenporträts dominiert der breite Strich und die Flächigkeit, die mit feinen Linien aufgebrochen wird. Eine leise Melancholie und Erdenschwere schaut aus den Gesichtern.
Man spürt in dem lustvollen Schwingen zwischen filigran-verspielten und reduziert-kargen Formen, dass sich hier eine kosmopolitische Frau mühelos über Grenzen hinweg setzt. Gosha atmete von klein auf diese Weltoffenheit: ihr indischer Vater und die polnische Mutter waren beide Künstler. Und die 1957 geborene Tochter lernte von ihnen wohl auch, dass man mit der Kunst im Herzen überall Zuhause sein kann. Mit Zwanzig verließ Gosha die Region Kaschmir, um in Tokyo am Jyoshibi College of Fine Arts zu studieren und auch die Kalligrafie zu erlernen. „Meine größte Liebe ist die Natur und in Japan ist die Kunst sehr von der Natur beeinflusst. Ich kann die Schönheit sehen, überall, in jeder Blume. Und eine sich bewegende Hand erinnert mich an einen Baum im Wind. Alles ist in Verbindung.“
Als sie 1989 nach Hamburg kam und den Boden der westlichen Moderne betrat, fühlte sie sich keineswegs entwurzelt. „Europa ist analytischer, während man in Japan mehr reflektiert.“ Aber es stellten sich auch neue Fragen, die immer wieder ihr Motor sind. „Meine Antworten suche ich in Linien, Formen und Farben. Dabei habe ich kein kompliziertes Denken. Ich gehe mit meinen Augen auf die Reise und trage oft eine lange Zeit die Bilder mit mir herum. Wenn ich arbeite, kann ich die Augen schließen, dann finden sie wie von selbst den Weg. Kunst ist, was du fühlst.“
„In Goshas Kopf sind 1000 Bilder“, sagt liebevoll Grahame Soden, ihr englischer Mann, der als Fotograf arbeitet, und mit Gosha die Galerie betreibt. Vor neun Monaten verließen die beiden Hamburg, um sich der Hektik des Großstadtlebens zu entziehen. Sie strahlen vor Glück, wenn sie in ihrem kleinen Garten stehen, in dem die Äpfel auf der Bank liegen und noch eine vereinzelte Blüte der englischen Rose der Kälte trotzt. „We are so happy“, begeistern sich die beiden immer wieder: über ihr neues Zuhause und über die Menschen, die ihnen in Potsdam so freundlich und hilfsbereit begegnen. Und für die sie selbst gern ihre Tür öffnen. Gosha hofft, dass sie hier wie andernorts Liebhaber ihrer Arbeiten findet.
„Die Kunst kann leben, wenn Menschen sie sehen. Das Bild muss für sich sprechen. Das ist wie bei einem Kind: Du gibst ihm das Beste mit, aber du weißt nicht, wohin es geht.“
Die Galerie befindet sich in der Dortustraße 55, die Künstlerin würde sich über eine telefonische Voranmeldung freuen: 0331-2732383.
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