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Von Babette Kaiserkern: In nie gezeigter Fülle

Bei „Mutter Fourage“ in Wannsee wird die größte Sammlung von Philipp Francks Werken mit Potsdamer Motiven präsentiert

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„Ja Rom! Ich glaube, in gewissem Sinne ist es doch die schönste Stadt der Welt. Wenn ich auch im geheimen sage: Potsdam ist doch die allerschönste“, schrieb der Maler Philipp Franck am 10. März 1939 an seinen Sohn. Sein Leben lang blieb Philipp Franck, der zu den Gründern der Berliner Sezession gehörte, der Residenzstadt verbunden. Hier fand er viele Motive für seine Gemälde, hierhin kehrte er immer wieder zurück. In Potsdam fühlte er sich heimisch und inspiriert zugleich: „Die Birken im Neuen Garten in Potsdam, die ich so oft gemalt habe, sind mir wie liebe Freunde. Ich kenne sie alle.“ Noch im hohen Alter war Philipp Franck künstlerisch tätig und malte und schrieb bis zu seinem Tod im 84. Lebensjahr. Zu Lebzeiten stellte der Künstler, dessen Werke den Übergang von der Landschaftsmalerei zum Impressionismus geradezu beispielhaft repräsentieren, oft mehrfach pro Jahr aus. Anschließend gab es sowohl in Ost als auch in West noch vereinzelt Ausstellungen, beispielsweise in Potsdam im Alten Rathaus, damals noch Kulturhaus Hans Marchwitza, im Märkischen Museum in (Ost-)Berlin oder im Berlin-Museum. Dennoch blieb Franck letztlich nur noch einigen Kennern und Liebhabern bekannt.

In diesem Jahr jedoch würdigen gleich drei Ausstellungen den Wahl-Wannseer und Potsdam-Liebhaber, dessen Geburtstag sich am 9. April zum 150. Mal jährte. Sie stehen zugleich für die Orte der wichtigsten Lebensstationen von Philipp Franck, in Frankfurt, Berlin sowie im Dorf Stolpe, dem späteren Berliner Stadtteil Wannsee. In der alteingesessenen Wannseer Galerie Mutter Fourage wird jetzt die größte Sammlung von Francks Werken mit Potsdamer Motiven gezeigt. Dafür hat Galerist Wolfgang Immenhausen, ausgewiesener Kenner und langjähriger Sammler von Philipp Franck, zahlreiche Gemälde, Aquarelle und Druckgrafiken zusammengetragen, die in dieser Fülle noch nie zu sehen waren. Zur Eröffnung der Ausstellung sprach die Schriftstellerin Julia Franck, eine Ur-Ur-Enkelin des Malers. Von Kindheit an war die in Ost-Berlin Geborene und zunächst Aufgewachsene von Philipp Francks Bildern umgeben. So hing im Pankower Haus ihrer Großmutter, der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger, ein Gemälde vom Westberliner Wannsee im Salon. Für Julia Franck war das ein Blick in die Welt, die damals noch nicht erreichbar war. Erstaunt zeigte sich die Autorin des auch international viel gelobten Romans „Die Mittagsfrau“ über den Ernst und die Unbedingtheit, die ihr damals im Zusammenhang mit der Kunst vermittelt wurden. Auf den ersten Blick stehen diese Eigenschaften so ganz im Widerspruch zu der Leichtigkeit und Heiterkeit, die so oft an Philipp Francks Werken gerühmt werden.

Tatsächlich gehörte Philipp Franck wohl einer glücklichen Generation an. Er und seine Malerkollegen, darunter Max Liebermann und Walter Leistikow, führten die Malerei zu einem letzten spätimpressionistischen Höhepunkt. Seine berufliche Karriere endete bereits vor dem Beginn der Nazi-Herrschaft. Über 30 Jahre wirkte Franck an der Königlichen Kunstschule in Berlin, zunächst als einfacher Zeichenlehrer, dann als Professor und schließlich als Direktor. An fünf Tagen in der Woche unterrichtete er, nur am Wochenende malte er. „Zwischen den beiden getrennten Welten des Lehrers und des Künstlers hat sich mein ganzes Leben abgespielt“, schreibt Franck, „Kam ich in die Kunstschule, gehörte ich ganz den anderen. Fuhr ich heraus nach Wannsee, gehörte ich ganz mir.“ Trotz der knappen Zeit konnte er seine Position im Berliner Kunstleben aufrecht erhalten.

Nach seiner Pensionierung 1930 entfaltete sich Francks Kunst noch einmal zu voller Blüte und in seinem achten Lebensjahrzehnt entstanden faszinierende, großformatige Gemälde und Aquarelle. Fast bis zuletzt hielt Philipp Franck an seiner Gewohnheit der Plein-Air-Malerei fest, egal wie widrig die Umstände waren.

Der Turm des Reichsarchivs auf dem Brauhausberg wurde zu einem seiner Lieblingsplätze. Mehrere Jahre stieg er beladen mit den Malutensilien die 300 Stufen hinauf, „auch im Winter, wo es da oben so kalt war, dass mir das Aquarell gefror“, berichtet Philipp Franck. Hier entstanden eindrucksvolle Stadtansichten von Potsdam in drei verschiedene Himmelsrichtungen, im Winter gemalt, ohne das Grün der Natur. Zu sehen sind alle Gebäude, die heute nicht mehr stehen, wie der Schlachthof, die Kampffmeyer’sche Mühle, die Brauerei samt rauchendem Schornstein, das Palasthotel, alles liegt unter einem dichten wolkigen im Abendlicht irisierenden Himmel. Bei aller Farbigkeit der malerischen Darstellung ist sein so genauer, nüchterner Malerblick spürbar.

Neben Ölgemälden nehmen Aquarelle einen bedeutenden, wenn nicht gleichwertigen Rang in Francks Oeuvre ein. Viele von ihnen werden nun erstmalig gezeigt. Auch hier finden sich viele Potsdamer Motive: die Alte Fahrt, der Hasengraben, die Schwäne. Francks letzte Aquarelle erweisen sich als stille Winterbilder und zeigen den Jungfernsee, den Tiefen See, den Heiligen See, Wasser und Himmel, Kiefern und Birken. Der Künstler spricht ein letztes Mal und beschränkt sich auf das für ihn Wesentliche: tiefempfundene Landschaft, die Schönheit der Natur, die malerische Vorstellungskraft seines Inneren.

Die Ausstellung in der Galerie Mutter Fourage, Berlin-Wannsee, Chausseestraße 15a, ist noch bis zum 19. Dezember, donnerstags und freitags, 14-18 Uhr, samstags und sonntags, 12-17 Uhr, zu sehen. Zur Ausstellung erschien ein umfangreiches Werkverzeichnis mit vielen Abbildungen und Beiträgen, unter anderem von dem Potsdamer Kunsthistoriker Heinz Schönemann.

Babette Kaiserkern

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