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Kultur: In Töpfe und über den Tellerrand geguckt

Keramik von Karla Gänßler und Fotografie von Reinhard Burstert in der Galerie Burstert, Albrecht

Die Idee einer Keramik-Ausstellung mit Karla Gänßler habe am Anfang gestanden. Dann wäre der Gedanke gekommen, dass zu Gefäßen ein Inhalt gehöre. Deswegen die Fotos von Eß- und Trinkbarem. So einfach könnte eine Erklärung der aktuellen, eigenwilligen Keramik-Foto-Schau in der Charlottenstraße 24 sein. Doch der Galerist Reinhard Burstert, der die großformatigen Fotos eigens hierfür aufnahm und ohne weitere Bearbeitung vergrößern ließ, sitzt nur in seinen Räumen, schweigt und grinst.

So ist der Besucher auf sich selbst angewiesen, um herauszufinden, warum derzeit knapp 100 Gefäße teils bizarrer Form und gut 30 Fotos unter dem Titel „Irdische Freude“ zusammen gebracht sind. Es ist bereits die zweite Ausstellung von Karla Gänßler in der Galerie, die im Übrigen seit kurzem auf ihr 5-jähriges Bestehen in Potsdam zurück sehen kann. Im November 2000 hatte man nach dem Umzug aus Berlin eröffnet, damals noch als „Galerie Berliner Impressionisten“.

Aber was nun – um den Ausstellungstitel aufzugreifen – ist das Irdische an jenen Freuden, die Keramiken und Fotos bereit halten? Dass der Ton, das Material der Gefäße, aus der Erde stammt, kann ebenso wie das mehr oder weniger Kulinarische auf den Fotos nur die erste, einfache Antwort sein. Denn irdisch, weil diesseitig, sind Gänßlers Arbeiten auch im ästhetischen Genuss, meint man auch zunächst, sich aufgerissene Finger an den häufig gezackten Kanten, den reliefierten, gleichsam aufgelösten Oberflächen und den eckigen Formen ihrer Gefäße zu holen. Aber die Hände – Anfassen ist erst nach dem Kauf erlaubt – sind bei allem Gebrauchs-Charakter der Schalen, Vasen und Dosen auch nicht gefordert, sondern zunächst die Augen.

In einer Palette von grünlichen Pigmenten mit Rostrot, Türkis und Braun oder bläulichen Tönen, Orange und Braun sind alle Oberflächen von amorphen Formen aus teils mehrfach aufgebrachten Glasuren überzogen. Das birgt Reize für das empfängliche Auge, erinnert in der Auffassung der Gefäße als in den Raum gekantete Flächen aber stark an Gänßlers Papier-Arbeiten.

Doch seltsam mutet jene Ernsthaftigkeit an, die die Keramiken verbreiten, zuweilen wirkt das übertrieben. Denn hierfür fehlt ihnen neben anderem die überzeugende Bewältigung der dritten Dimension. Und vom Charakter eigenständiger Kunstwerke, den sie möglicherweise anstreben, haben sie nur wenig. Gutes Kunsthandwerk und ungewöhnliche Gebrauchsgegenstände oder auch Dekorationsobjekte sind sie zweifellos, bezahlbar überdies.

Es mag mit der Nobilitierung der Fotografie in den letzten Jahrzehnten, es mag auch an der leichten, aber selbstsicheren Art der Präsentation liegen, dass sich Bursterts Fotografien zu den Keramiken wie eine verschmitzte Ironie und auflockernde kleine Scherze verhalten. Unverschämt, möchte man rufen, dass eine überdimensionale und von der Seite fotografierte Zwiebel als „Detail der Basilius-Kathedrale in Moskau“ betitelt ist. Doch hier beginnt das Spiel, das der Galerist mit seinem Betrachter treibt. Geld verdient er übrigens nicht mit seinen Fotos, da der Reinerlös der Potsdamer Tafel zugute kommt.

Jeder Fototitel hält einen anderen, meist amüsanten Jux bereit. Natürlich kann man den an seiner Ritze aufgeschnittenen Pfirsich als Produkt einer „Reifeprüfung“, so der Bildtitel, bezeichnen – aber auch an den Genuss anderer süßer Früchtchen denken. Etwas kalauerisch, dass die frischen Tintenfische über einer Stange ihren „Feierabend“ haben, an dem man sich bekanntlich hängen lässt. Und nicht nur seinem Betrachter, dem ganzen Kunstmarkt ruft der Galerist spöttisch zu: „Man fragt heutzutage nicht mehr nach dem Gegenstand der Kunst. Man denkt modern.“ So ist die Ansicht auf von oben gesehene, deutlich zu erkennende grüne Bohnen betitelt.

Sind die Arbeiten von Gänßler und Burstert auch unterschiedlich, verbindet sie der etwas andere Umgang mit dem künstlerischen Material. Und auch, welche Erwartungen sie bei dem Betrachter wecken, welche sie erfüllen. So kann über den Keramiken wie auch über den Fotografien als Motto der Titel von schwarz-weiß aufgenommenen, liegenden Kohlrabis stehen: „Vergessen Sie doch einfach, dass es. Geben Sie sich hin!“ Damit hätte jede einzelne Arbeit viel bei ihrem Betrachter erreicht.

Ausstellung bis 30. Dezember, Mi-Sa 11-18 Uhr. Hausmusik „Irdische Freuden“ am 11. Dezember, 17 Uhr, Eintritt frei. www.galerie-burstert-albrecht.de

Götz J. Pfeiffer

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