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Kultur: „Innenministerin“ des Theaters

Frühere Chefdramaturgin des Hans Otto Theaters Irmgard Mickisch verstorben

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Wenn der Intendant eines Theaters wie ein Ministerpräsident agiert, so ist der Dramaturgiechef der Innenminister. Er tüftelt zusammen mit dem Intendanten an der Ausrichtung des Hauses, erarbeitet die Konzeption und die Stückauswahl für die kommende Spielzeit und ist oft auch enger Partner des Regisseurs und sein Rückversicherer während einer aktuellen Produktion. Auch die langjährige Chefdramaturgin des Hans Otto Theaters, Irmgard Mickisch, war eine „Innenministerin“. Aber sie verstand sich wohl so nicht, eher als Dienerin am Theater. Und weil sie der Bühnenkunst eine gute Heimat in Potsdam geben wollte, hat sie für sie gekämpft, mit Leidenschaft und Impulse gebender Zuverlässigkeit. Am 27. Mai ist sie im Alter von 84 Jahren in Potsdam verstorben.

Nach einer Veranstaltung, in der es um Potsdamer Intendanten ging, und in der sie sehr zurückhaltend auftrat, fand sie in einer kleinen Runde für die Arbeit des Dramaturgen die Worte: „Man muss wissen, wann man sich zurücknehmen muss. Man muss wissen, wann man voll da sein und wie ein Panzer durch die Gegend donnern muss. Und man muss wissen, wann was wichtig ist.“

Nach dem Theaterwissenschaftsstudium in Weimar ging Irmgard Mickisch 1954 sofort ins Engagement an das Hans Otto Theater. Sie wollte zurück nach Potsdam, denn am Rande des Parks Babelsberg stand das Haus ihrer Eltern, dort ist sie aufgewachsen und wohnte in ihm fast ein Leben lang. Bis 1990, als sie ihr Engagement beendete, hat sie so manche Theaterchefs kommen und gehen sehen. Farbige Spielpläne hat Irmgard Mickisch für das Provisorium Zimmerstraße und auch für das damalige Theater im Kulturhaus „Hans Marchwitza“ mit ihren Dramaturgiekollegen konzipiert, in denen das Drama und die Komödie, hin und wieder auch der leichtfüßige Schwank, gleichermaßen zu ihrem Recht kamen. Ihre Liebe galt russischen, sowjetischen und lateinamerikanischen Autoren, aber auch Heiner Müllers spektakulärem Theatertext „Wolokolamsker Chaussee“. So manch jungem Schriftsteller half sie, sein Stück in Potsdam vorzustellen.

Und dann bewies sie Mut, wenn die Kritik am DDR-Alltag in einem Theaterstück laut wurde und dies den SED-Oberen alles andere als genehm war. Beispielsweise die Komödie „Der Revisor oder Katze aus dem Sack“ von Jürgen Groß, ein Stück, das die Kommunalpolitiker sarkastisch auf die Schippe nahm. Der damalige Oberbürgermeister Potsdams erzwang mit Hilfe der SED-Bezirksleitung die Absetzung des Stücks.

Auch nach der politischen Wende nahm die ehemalige Chefdramaturgin Anteil am künstlerischen Geschehen des Hans Otto Theaters, nun aber als Zuschauerin. Klaus Büstrin

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