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Kultur: Inspiriert

Händels „Messias" in der Nikolaikirche

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Jeder kennt es oder meint es zu kennen: das „Halleluja“ aus Georg Friedrich Händels Oratorium „Der Messias“. Doch kaum einer kennt das vollständige Werk. Das liegt wohl auch daran, dass die Aufführung zweieinhalb Stunden oder länger dauern kann, was schon für Mozart, der das Oratorium neu arrangiert hat, zu viel war. Oft werden die drei Teile des Werkes auch einzeln, gemäß ihrer Thematik Christi Geburt, Tod und Auferstehung aufgeführt. Der „Messias“ ist ein universell-europäisches Werk par excellence, christlich, aber keiner Konfession genau zugeordnet, in Kirche und Konzertsaal passend, grenzüberschreitend im besten Sinne. Georg Friedrich Händel war ein europäischer Komponist schon lange bevor überhaupt von Europa die Rede war. Sein bis heute vor allem im englischen Sprachraum berühmtes Oratorium, das 1742 in Dublin uraufgeführt wurde, enthält neben italienischen und französischen Einflüssen speziell englische und deutsche Merkmale, ein willkommener Umstand für die Royal Scottish Academy of Music and Drama und die Musikstudenten der Berliner Universität der Künste.

Als erstes Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit im Rahmen des europäischen Erasmus-Projektes präsentierten sie Händels „Messias“ auf Konzerten in Glasgow, Edinburg, Berlin und Potsdam. In der gut besuchten Nikolaikirche erlebten die Zuhörer eine sehr inspirierte Aufführung, die einmal mehr die weitläufigen Fähigkeiten der Musik zugunsten von Schönheit und Intensität bestätigte.

Die schottischen Solisten und Chorsänger verliehen dem englischsprachigen Oratorium ein Höchstmaß an stimmlicher Authentizität, während die jungen Musiker des Orchesters der UdK Berlin für sehr ansprechende, instrumentale Begleitung sorgten. Als Dirigent wirkte Lutz Köhler von der UdK, dessen jahrelange Arbeitsfreundschaft mit der schottischen Hochschule nun reiche Früchte trug. Mit sicherem Sinn für Klang und Gestalt, Präzision und Genauigkeit auch im Detail führte er die jungen Musiker zu transparenten, schwingenden, fein ziselierten Klängen in kammermusikalischer Qualität.

Im Gegensatz zu der sonst häufigen Riesenbesetzung wartete der Chor mit rund dreißig Sängern auf und kam damit der kleinen Besetzung zu Händels Zeiten sehr nahe. Überragend leuchtete die gut verteilte Sangeskraft und facettenreiche Klangschönheit der jungen Sänger. Weich und anrührend in den Chorälen der Einkehr und der Trauer, energisch und entschlossen im „Zerreißet unsere Bande“, jubelnd und feurig im „Halleluja“, das erfreulicherweise nicht rhythmisch brauste und donnerte, sondern kristallklar strahlte.

Auch die blutjungen Solisten begeisterten das Publikum. Die neuseeländische Sopranistin Kirstin Sharpin fand lyrisch-innige Töne voll schlichtem Liebreiz und brillante Koloraturen. Mit erlesenem, ernstem Klageton, beweglicher Intonation, ohne falsche Sentimentalität sang Louise Collett die Altpartie. Der kurzfristig eingesprungene Tenor Andrew Dickinson überzeugte mit edlen, leicht metallischen Klängen. Weit tragend mit tiefdunklen Nuancen füllte der junge brasilianische Sänger Felipe Oliveira die Basspartie aus, besonders bei der eindringlichen Interpretation der Arie „Why do the nations so furiously rage together“ („Warum streiten die Nationen so wild miteinander?“) und der Posaunen-Arie (im Original Trompeten) kurz vor dem Finale. Eine gelungene Aufführung des „Messias“ und der erfreuliche Beginn einer europäischen Zusammenarbeit, auf deren zukünftige Entwicklung man gespannt sein darf.

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