Kultur: „Irgendwer wird den Break schon machen“ „arche“-Vortrag über die Medien als „Vierte Macht“
Von Gerold Paul Sonderbare Parallelen. Erst kürzlich warnte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vor einer „Boulevarisierung der Medien“, und just zur selben Zeit stand das Thema „Vierte Gewalt" auf dem Themenplan der „arche“, natürlich im besonderen Kontext des katholischen Verlagswesens.
Stand:
Von Gerold Paul Sonderbare Parallelen. Erst kürzlich warnte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vor einer „Boulevarisierung der Medien“, und just zur selben Zeit stand das Thema „Vierte Gewalt" auf dem Themenplan der „arche“, natürlich im besonderen Kontext des katholischen Verlagswesens. Mit Olaf Lezinsky, Jahrgang 1962, war den umtriebigen Nautikern ein Fachmann gewonnen, welcher das Geschäft von der Pieke auf kennt, ist er doch im sozialdemokratisch geprägten Familienbetrieb des „Spandauer Volksblattes“ groß geworden. Nach Wegen und Umwegen, wozu auch ein Praktikum in der Chefetage des Springer-Konzerns gehörte, arbeitet er heute als Geschäftsführer des katholischen Morus Verlages Berlin. Vor allem scheint sich der gelernte BWL-er in der Sanierung angeschlagener Print-Unternehmen auszukennen. Wurde es nach dem Mauerfall mit dem einstigen, bis nach Rathenow strahlenden Ruhm des Spandauer Familienblattes auch nichts, so war er doch in Brandenburgs Landeshauptstadt aktiv, für den „Potsdamer“ und den „Blickpunkt“ hatte er Anzeigen vermittelt. Auch dem arg gebeutelten Morus-Verlag (übernahm die Ostberliner Konkurrenz Sankt Benno) half er wieder auf die Beine. Grundfrage: Kann man seinen, hier religiösen Impetus mit dem beruflichen erfolgreich verknüpfen? Die reine und hehre Art, nur gute Texte unters Volk zu bringen, funktioniert wohl nicht mehr. Man braucht, nichts Neues, Anzeigen, um ein Blatt mitsamt seinem Personal finanzieren und dauerhaft erhalten zu können. Von der Vergangenheit wenig belastet, bekam der Morus Verlag 1945 die erste Lizenz überhaupt. Wie alle Unternehmen in Westberlin, wurde auch er bis in die 80er üppig subventioniert, dass er, so Lezinsky, zu einer „Abwurfstelle für Manuskripte“ verkam. Produktion ohne Verkauf. Der eloquente Redner, zwischendurch mit Karmelitern und Dominikanern in Berührung gekommen und 1994 zu den Katholiken konvertiert, ist seit einem Jahr Geschäftsführer, und siehe, sein Verlag schreibt nach 30 Jahren erstmals schwarze Zahlen. Wie das? Der clevere Zeitungsmann wollte den Gläubigen neben der Kirchensteuer nicht auch noch ein „bezahltes Kaufblatt“ zumuten, wie es jedes der 24 deutschen Bistümer bis dahin hatte. Er startete mit „Verteilblättern" in Auflagen zwischen hunderttausend und einer Million, erreichte ein „Zielpublikum", welches er bis dahin nicht fassen konnte - und refinanzierte so die Umstrukturierung des Morus Verlages, durch Anzeigen und Inserate. Das funktioniert, zumal sich auf diese moderne Art ("die besten Ideen muss man klauen") auch katholische Botschaften mittransportieren lassen; dass im Anzeigengeschäft auf Seriosität geachtet wird, versteht sich von selbst. Zweimal jährlich kommt noch eine „Verteilzeitung" dazu. Doch selbst seine Erfahrungen beim Springer-Verlag, wo er erlebte, wie „die Zeitung zusammengeschraubt" wird, bringen ihn nicht dazu, an die Presse als „Vierte Macht" zu glauben, zumal sie völlig aufgesplittert sei und sich „gegenseitig aufheizt“. Dem Volk zuerst aufs Maul schauen, Tendenzen verstärken, das gehe. Unmöglich aber sei es, Meinungen zu machen. Das blieb in einer sehr lebhaften Diskussion nicht unwidersprochen: Man beklagte, was auch Thierse beklagt, und staunte, wie viele „arche“-Besucher inzwischen auf Fernsehen und Zeitungen verzichten, weil Kommerz und Verflachung wie eine Pest um sich griffen, sogar der Kirchensender „Radio Paradieso" müsse inzwischen „Quote bringen“. Auch dem erfahrenen Medienfachmann, wie viele seiner Zunft von eher ausgleichender Natur, gefällt das nicht. Kein Rat, aber die Hoffnung, irgendjemand werde „den Break schon machen“. Nur wie? „Fakten“ bringen es nicht, der „Fokus“ hat derzeit einen Anzeigenschwund von 20 Prozent, Anpassung an den Massengeschmack, so ein Diskutant, erst recht nicht: Es gab doch eine Zeit, wo die „vierte Macht" eine solche war, weil sie dem „gesellschaftlichen Auftrag" zur Meinungsbildung (besonders im Fernsehen) höchste Priorität einräumte: Durch wohlgesetzte Meinung eben auch zu bilden, besonders den „öffentlichen Geschmack". Heute, so scheint es, neigt dieselbe Macht vielerorts zum Gegenteil. Man hat wohl, billig, das Geld zu stark werden lassen.
Gerold Paul
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: