Kultur: Irgendwo in Amerika
Die CDU-Landtagsfraktion hat sich Malerei des Berliner Künstlers Benjamin Ortleb in den Flur gehängt
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Am Pförtner vorbei, drei Treppen hoch, dann nach links, in entgegengesetzter Richtung zu dem Pfeil aus vergangenen Zeiten. Dann kommt man zur CDU-Landtagsfraktion: Ein schmaler, langer Gang, von dem Büros zu den Mitarbeitern abgehen. An den Wänden hängen große Bilder von Benjamin Ortleb, einem international bekannten Künstler aus Berlin. Viel Farbe, das sieht man schon von weitem. Zu wenig Raum für wuchtige Arbeiten, auch das erkennt man, bevor man vor den Werken steht. Nur die drei jüngeren Gemälde im breiten Treppenaufgang des Landtags, die sich auch thematisch von den Flurbildern unterscheiden, sind dort, wo sie hängen, gut aufgehoben.
Der Gang ist fast menschenleer, von der CDU am späten Dienstagvormittag nichts zu sehen. Die sitzt hinter einer der verschlossenen Bürotüren vor dem Fernsehgerät und sieht sich die Kanzlerinnen-Wahl an. Ungestört kann man zurücktreten, um die Skyline von Manhattan zu betrachten, die amerikanische Wüste, das fragmentarische Kennedy-Gesicht oder das gewaltige Gewitter, das auf ein einsames Haus nieder geht.
Ortleb, der in den 90er Jahren zu Studienaufenthalten in die USA gereist war, hat ein amerikanisches Bilderbuch mitgebracht, in dem man lange blättern kann, aber keine harmonische, heile Welt finden wird. Immer wieder stößt der Künstler den Betrachter auf etwas, was das Bild bricht, das Auge stört. Er pinselt farbliche Kontraste, klebt Holz oder Blech in den malerischen Raum, zeichnet mit Wachs über das Öl oder lässt hässliche Pigment-Berge aus der Leinwand herauswachsen. In Ortlebs Bildern gibt es kein glattes Amerika.
Erst beim genauen Hinsehen entdeckt man in „By the dawns early light“ (Im Licht der Morgendämmerung), den optischen Störenfried: ein graubemaltes Blech, das sich als Fassade in der Hochhäuseridylle versteckt, als sei es gemalt, wie die Nachbarbauten. Auch die Farben sind typisch für Ortlebs Bilderwelten. Im warmen Orange und Grün hat er die Stadt angedeutet. Die in den Vordergrund gestellten, detailgetreuen Häuser sind blaugrau. Sie wirken kalt, künstlich, unnahbar. Immer wieder greift der Maler auf diese Farben zurück, setzt warme Töne gegen kühle. Auf diese Weise schafft er Distanz zum Werk, die zu viel Gefühl verhindert. Der Betrachter beginnt stattdessen genau zu beobachten, das Bild zu untersuchen.
Eine interessante Arbeit auch: „Buffalo soldier in Oklahoma“. Ein wütender Sturm verbiegt die Bäume, ein dunkelblauer Pick up hält am Straßenrand, Ampeln haben sich in abgerissenen Stromleitungen verfangen. In dieses Chaos hat der Künstler einen mexikanischen Reiter platziert, unbeweglich sitzt er auf seinem Pferd, kein Haar hat ihm der Sturm gekrümmt. Er ist außen vor, gehört nicht ins Bild, wirkt wie aufgeklebt.
Ortlebs Amerika-Bilder machen neugierig. Unweigerlich versucht man, einzelne Teile zu einem Ganzen zusammenzusetzen, der gemalten Geschichte auf den Grund zu gehen, ihren Sinn zu finden. Das macht die Bilder aus.
Um sich in die Werke über der Treppe zu versenken, braucht man länger. Und auch dann erzählen sie noch keine fesselnden Geschichten, wie die Amerika-Bilder. Zu kantig, zu gerade sind die Formen, zu wenig einladend der Maschinenmensch-DJ oder der Rippentyp mit den orange-grünen Augen: Ohne jede Harmonie und Wärme sind die Bilderwelten von Ortleb reizlos.
bis 28. Februar, Mo bis Fr 8 bis 16 Uhr
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