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Kultur: Irre, aber witzig

Birdflesh krawallten am Donnerstag im Archiv

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Wilde Trommelangriffe durchbrechen die diesig-schweißige Luft. Ein als Mönch verkleideter Schlagzeuger schreit wie irre in das Mikro. Neben ihm auf der niedrigen Bühne des Archiv-Clubs rocken ein Bassist und ein Gitarrist. Ihre Kleiderwahl zeigt eine besondere Art von Humor: rote Strumpfhose, darüber gelbe Schlüpfer, Netzhemd, Stirnband, eine viel zu blonde Perücke Und auch diese beiden Musiker machen Krach: Aus den Boxen röhrt, kreischt und krawallt es ohrenbetäubend laut, während die Fans vor der Bühne wild pogen. Birdflesh aus Schweden sind die Helden des Donnerstagabends im Archiv.

Und doch ist vieles anders als gewohnt. Das Café gegenüber des Bühnenraums ist geschlossen, der Gang zu den Toiletten mit einer Sportbank und rot-weißem Flatterband gesperrt. Wer ein Bedürfnis hat, muss offiziell ums Haus herum und einen separaten Eingang zum WC benutzen. Unverständnis bei den Besuchern. „Wenn das Archiv wegfällt, dann brennt es in der Stadt“, sagt einer, der seine Wut nicht verbergen will. Viele Punks sind an diesem Abend da, ebenso Metal-Fans mit langen Haaren und zierliche Mädchen in schwarzer Kleidung. Die Stammbelegschaft.

Birdflesh passen da optimal. Die Skandinavier genießen in der extremen Musik-Szene einen sehr guten Ruf: Krank, irre, aber immer auch irgendwie witzig. Schon der Titel ihres aktuellen Albums „Mongo Musicale“ zeigt das. Live funktioniert das ebenso: Mit wilden Grimassen und gegröhlten Schreien aus drei Kehlen blasen Birdflesh ihre meist nur zwei Minuten langen Krach-Attacken in Richtung ausrastende Fans. Grindcore heißt dieser Stil in der Fachsprache. Musik, die die derbsten Zutaten aus Punk und Metal zu einer fies-ätzenden Klangsäure vermischt.

Gerade auf solche unkonventionellen Sparten hat sich die Archiv-Crew in den vergangenen Jahren spezialisiert, viele Kontakte geknüpft. In dem kleinen Club spielen so nun fast wöchentlich Bands, die sonst nie nach Potsdam finden würden. Am 31. Oktober kommen etwa Disfear, in der Szene noch wesentlich bekannter als Birdflesh. Wenn bis dahin das Haus noch nicht gesperrt ist. Henri Kramer

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