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Kultur: Jazz mit Hangs Portico Quartet

im nachtboulevard

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Sie sehen aus, als wären sie gerade gelandet. Wie drei dunkle Ufos liegen die Hangs auf ihren Stativen, dünnes dunkles Aluminium, innen hohl mit leichten Dellen auf der schimmernden Oberfläche. Sie wirken archaisch und futuristisch zugleich. Erst vor zehn Jahren wurden die Hangs, die zu den Percussioninstrumenten zählen, in der Schweiz erfunden. Und wenn Nick Mulvey von Portico Quartet anfängt auf ihnen zu spielen, klingen sie mal wie Glocken, mal wie ein Klavier oder ein Xylophon.

Wer am Mittwochabend zum Eröffnungskonzert des Potsdamer Jazzfestival in die Reithalle gekommen war um Portico Quartet zu erleben, bekam nicht nur dieses ungewöhnliche Instrument, sondern auch eine ganz außergewöhnliche Band zu hören. Das Portico Quartet aus London hat keinen Frontmusiker. Milo Fizzpatrick am Kontrabass, Jack Wyllie am Saxophon, Duncan Bellamy am Schlagzeug und Nick Mulvey an den Hangs spielen gleichberechtigt. Selbst in den Soli spielt keiner wirklich alleine. Dennoch sind die virtuosen Fähigkeiten jedes einzelnen hörbar, was vom Publikum mit Applaus honoriert wird. Ohne sich anzusehen galoppieren die vier durch wilde Taktwechsel und Pausen. Sie scheinen nur mit den Ohren zu kommunizieren, während ihre Oberkörper alle im gleichen Takt schwingen. Manchmal klingen sie fast meditativ. Dann gibt das Saxophon die Melodie an den Bass ab und ganz plötzlich wird es poppig und rockig. Obwohl nur instrumental gespielt wird, sind die Melodien, die Jack Willie am Saxophon spielt so eingängig, dass man am liebsten mitsummen möchte, manche sind auch so schnulzig wie der „Bolero“ von Ravel. Dann wieder stößt sein Instrument Vogelschreie aus oder singt wie ein Delphin. Am Schlagzeug wirbelt Duncan Bellamy als spiele er mit einer Rockband. Er holt jedes Ticken, Rappeln, Knacken und Rauschen aus seinem Instrument. Ab und zu schraubt und frickelt er mit ein paar elektronischen Geräuschen, die wie ein Teppich unter einige Stücke gemischt werden.

Milo Fizzpatrick steht mit seinem Bass im Mittelpunkt der Band, er spielt Melodie und Begleitung zugleich, Nick Mulvey ist an seinen Hangs der klingende Herzschlag. Obwohl die Musik laut ist, sind die Klänge doch so weich, dass ganz hinten im Publikum sogar ein Baby schlafen kann. Aber nur die erste Hälfte des Konzerts, dann wird es den Eltern wohl doch zu viel.

Einordnen lassen sich Poritco Quartet nicht so einfach. Ihre Musik könnte man einfach nur hören, man könnte sich sogar dazu bewegen, man könnte mitsingen, man könnte sie sich aber auch als Filmmusik vorstellen. Und vielleicht ist dieser Film, der beim Zuhören im Kopf entsteht, die treffendste und schönste Beschreibung für diese Musik. Das Publikum ist durchweg begeistert von den vier jungen Briten, die sich immer mit der gleichen Geste für den Applaus bedanken und auch von der Bühne verabschieden. Erst die Hand in die Luft heben und dann den Daumen nach oben zeigen. Undine Zimmer

, ine Zimmer

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