Kultur: Jedem seine Pfanne
Romuald Karmakar beim Aktuellen Filmgespräch
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Romuald Karmakar beim Aktuellen Filmgespräch „Ich halt das nicht mehr aus“, sagt die junge Mutter, und sofort ist auch der Zuschauer geneigt, es nicht mehr auszuhalten. Ist doch der Film von Romuald Karmakar eine Zumutung nach allen Regeln der Kunst: Fast vollständige Einheit des Ortes (bürgerliches Wohninterieur in Berlin-Mitte), der Zeit (eine Nacht) und des Konfliktes (Ende einer Beziehung). Sonst nichts. Die beiden Protagonisten – Anne Ratte-Polle als Prinzessin mit Erbsenbrust und Lebenslust und Frank Giering als erfolgloser, grimmig dreinblickender, dominant schweigender Schriftsteller – zerfleischen sich mittels worthülsenartiger Wiederholungen in Gegenwart ihres schlafenden Babys in der Ausweglosigkeit ihrer selbstgeschaffenen Situation. In der filmischen Adaption von Jan Fosses norwegischem Drama wabern Bergmanns „Szenen einer Ehe“ erdrückend im Hintergrund, auch einige sehr deutsche Fassbinder-Filme, und man meint, alles aus eigener Erfahrung so was von zur Genüge zu kennen, dass man dieser Situation ausweichen möchte. Doch die meisten Zuschauer hielten am Dienstag Abend im Filmmuseum in ihre Sesselchen gepresst masochistisch aus und warteten, was der Regisseur von „Totmacher“ und „Manila“ zu eben diesem, seinem Privates störenden und verstörenden Film „Die Nacht singt ihre Lieder“ zu sagen hatte. Da kam er dann angehumpelt, weil er sich bei seiner aktuellen Produktion über die elektronische Musikszene wohl ein wenig zu sehr ins Zeug gelegt hat, und trotzte wieder einmal den kritischen Stimmen aus dem Publikum, die es natürlich auch gab. Er habe den Film nur als Komödie sehen können, meinte ein Zuschauer, der sich zu all der Ernsthaftigkeit und dem fast kompletten Fehlen von Sprach- oder Situationskomik eine ironische Ebene gedacht hatte. Es gab aber auch euphorisches Lob für das konzise Spiel von Frank Giering und Anne Ratte-Polle. Ein Film, der polemisiert, ein Film, der eine Situation dehnt, überdehnt. Doch davon möchte Karmakar nichts hören. Seiner Meinung nach verrät die hilflose Reaktion einer den Film totlachenden Journalistenschar nur etwas über die aktuelle gesellschaftliche Situation. Man habe über die Pfannen, von denen sich die junge Frau nicht trennen will, obwohl sie sich am Ende des Stückes sogar ihren Lover zur Rettung in die Wohnung holt, schallend gelacht. Doch „jeder hat seine Pfanne“, meinte der Regisseur in Beharrung auf der Künstlichkeit seines Werkes, das aber gerade den Vorzug habe, zu zeigen, dass auch im Mittelstand jene Gefühls- und Kommunikationslosigkeit herrsche, die man ansonsten gerne in das Plattenbaumilieu abschiebe. Ach ja, Frank Giering war auch noch da. Der im Film seine gesamte Ausdruckskraft in das Verziehen von Mundwinkeln und das Starren auf seine Partnerin legende Schauspieler kann ja sprechen. Dieses Kommunikationsbedürfnis habe er während der Dreharbeiten auf die Pausen verlegt, erzählte er munter in dem wie meist von Knut Elstermann moderierten Gespräch und man war froh, aus Gierings Mund zu hören, dass er noch nicht da angelangt ist, wo Romuald Karmakar die meisten Menschen ansiedelt: bei der Hoffnungs- und Aussichtslosigkeit ihres Lebens. Verstört-versöhnt und meist stumm traten die Zuschauer dann den Heimweg in der eiskalten Nacht an. Lore Bardens
Lore Bardens
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