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Kultur: Jeder trägt eine Wunderlampe in sich Niels Heuser spielt den Aladin im HOT-Weihnachtsmärchen

Von Heidi Jäger Er wuchs wie eine Pflanze in die Rolle hinein, ohne zu wissen, was für ein Gewächs daraus entstehen würde. Inzwischen ist sein Aladin geformt – frech, verspielt, unschuldig.

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Von Heidi Jäger Er wuchs wie eine Pflanze in die Rolle hinein, ohne zu wissen, was für ein Gewächs daraus entstehen würde. Inzwischen ist sein Aladin geformt – frech, verspielt, unschuldig. Eine Figur, die sich aus der Improvisation herausschälte. Wie auch die anderen Darsteller des diesjährigen Weihnachtsmärchens vom Hans Otto Theater „Aladin und die Wunderlampe“ näherte sich Niels Heuser zunächst ohne Text, ohne Regievorgaben und auch ohne Rollenzuweisung diesem Stück aus 1001 Nacht. „Geh“ auf die Bühne und sieh“, was passiert“, so die Aufforderung von Regisseur Yüksel Yolku an jeden einzelnen Spieler. „Zuerst hielt ich nur den Kopf schief, reagierte auf Reaktionen von Kollegen. Dann wurden die Bewegungen immer größer und schließlich begann ich wie ein HipHopper zu rappen.“ Diese Spontanität und Dynamik waren es dann wohl auch, die Niels Heuser für die Rolle des Aladin empfahlen. Eine kräftige Körpersprache sei für das Gelingen dieser Inszenierung ein wichtiges Unterpfand: „Schließlich wird mit Masken gearbeitet“, so der Potsdamer Ensemble-Neuling. „Man kann sich hinter Masken nicht verstecken, sie legen eher etwas offen. Verlangt wird ein direktes, sehr entschiedenes Spiel, möglichst ohne Fehler. Textschnitzer darf man sich nicht leisten. Die Masken lassen die Geschichte noch märchenhafter und poetischer erscheinen.“ Niels Heuser fühlt sich in seiner Aladin-Rolle wie ein Peer Gynt, ein Abenteurer, der aus seiner Einfachheit heraus, die Prinzessin für sich gewinnt. „Und das erste Verliebtsein zu spielen, tut natürlich gut – gerade auf der Bühne. Im wirklichen Leben gibt es leider mehrere Prinzen. Da muss man immer mal wieder ein neues Königreich erobern.“ Doch das sei ja auch die Botschaft des Stückes, das „Unmögliche“ möglich machen. „Unser Regisseur sagte bei den Proben immer ,Jeder trägt eine Wunderlampe in sich“.“ So eine Lampe hat Niels Heuser vielleicht auch geleitet, als er sich entschloss, aus der Vielzahl seiner künstlerischen Hobbies – von der Fotografie, über das Schreiben bis zum Schlagzeugspiel – die Schauspielerei zum Beruf werden zu lassen. „Dabei sah es eine Zeitlang so aus, als wenn ich meine kreative Ader ganz außer Acht und mich lieber der sinnvoll-praktischen Tätigkeit eines Krankenpflegers hingeben würde.“ Berührung mit dem Theater hatte er bereits als Kind durch seinen Vater, der als Arzt an der Kieler Oper oft Bereitschaftsdienst hatte. „Während mein Vater in den Vorstellungen mitunter völlig überarbeitet einschlief, wurde ich immer munterer.“ Eine andere fantasievolle Welt erschloss sich über die Mutter, die gern malte. Derart künstlerisch wach geküsst, wechselte er während der Abizeit an ein Gymnasium mit Kunstleistungskurs und einer Theater-AG. Seine erste Rolle war gleich eine tragende: die des Odysseus. „Auch er war ein Abenteurer wie Aladin.“ Sein theaterbesessener Lehrer ebnete ihm auch den Weg an ein Amateurtheater in der Stadt. Dort spielte Niels Heuser Kafkas Solostück „Bericht für eine Akademie“. Knapp 50 Mal schlüpfte er in die Haut des Affen. Doch inzwischen hatte ihn auch ein anderes Leben ereilt: das des Zivildienstleistenden beim Malteser Hilfsdienst. Mit Blaulicht rückte er aus und assistierte als zweiter Mann im Rettungswagen. „Ich war bei einer Geburt dabei, musste aber auch Junkies einsammeln. Da habe ich das wahre Leben meiner Heimatstadt kennen gelernt. Es war eine sehr erfüllte, sehr intensive Zeit.“ Gerade dieser Sinn gebende Moment war es wohl auch, dass er noch ein weiteres Jahr dran hängte und überlegte, Pfleger oder Rettungsassistent zu werden. Den Boden für dieses Engagement hatte er schon in seiner Schülerzeit gelegt, wo er u.a. in einer Tierschutzgruppe arbeitete und im Herbst splitterfasernackt demonstrierte: „Lieber nackt als Pelze tragen“. „Schließlich entschied ich mich dann aber doch, den eigenen Egoismus auszuleben und mein Glück an der Schauspielschule zu probieren.“ Beim siebenten Anlauf klappte es – „normaler Durchschnitt. Man kommt immer an die Schule, die für einen gut ist“, sagt er im Rückblick. Für Niels Heuser war es die Hochschule für Musik und Theater in Hannover, wo er vor allem merkte, „wie dumm und schludrig er eigentlich in die Ausbildung reingeschlittert ist. Ich kannte kaum Stücke, keine Namen“ Aber er spielte gern, mochte die sensorische Ausbildung, fand Gefallen an Beckett. Als er sich im vierten und letzten Ausbildungsjahr nach einer Stelle umschaute, kam die Ernüchterung. Das Diplom in der Tasche, lernte er aus der Not heraus das freie Theaterleben kennen. „Ich spielte in Magdeburg ,Das tapfere Schneiderlein“, zog mit Fassbinders ,Katzelmacher“ durch ganz Deutschland und die Schweiz. Im Nachhinein sieht das lustig und locker aus, aber wenn man den Dispokredit überzieht, macht das schon zu schaffen. Jetzt habe ich aber die Glückserfüllung gefunden“, so der tatendurstige Mime, der vor einem Jahr im Potsdamer Kinder- und Jugendtheater anheuern durfte. Wohnhaft ist er im „Erlebnispalast“ Berlin, der Stadt seines Herzens, wo neben seiner Schwester auch eine seiner Prinzessinnen lebt. Bis 2005 ist Niels Heuser vorerst in Potsdam engagiert, „danach ist ein Wechsel durchaus normal“. Sein Debüt gab er als Tiger Shir Khan im „Dschungelbuch“ und er spielte die Hauptrolle des Einbrechers im „Hotel Sibirien“. Natürlich habe er Lieblingsautoren, wie Büchner, Horvath oder Kleist. „Und irgendwann möchte ich einen Shakespeare spielen, natürlich auch den Hamlet – um zu sehen, wie man scheitert. Aber in der Schauspielerei ist es wie in der Musik. Erlernt man ein Instrument, kann man nicht gleich Free Jazz spielen. Erst muss man das Handwerk ausprobieren. Danach kann man auch das Wagnis Klassik eingehen.“ Inzwischen habe er gelernt, Distanz zu seinen Rollen zu halten, auch wenn das private Leben stark durch den Beruf geformt wird. „Aber bei Kafka hat mich mein Monolog mitunter völlig überwältigt, dass es mehr als ein Spiel war. Inzwischen liegt die Rolle wie eine Maske auf der Haut. Sie saugt jeden seelischen Impuls ein, aber sie bleibt eine Maske, die man wieder abnehmen kann. Die Maske ist das Handwerk.“ „Aladin und die Wunderlampe“ hat morgen um 10 Uhr Premiere. Weitere Vorstellungen am 21. und 25. November, jeweils 10 Uhr.

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