Kultur: Jeder will auf der Suppe oben schwimmen
Heimspiel für die Schauspieler Nadja Uhl und Jörg Schüttauf im Thalia beim Gespräch zu „So glücklich war ich noch nie“
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Der große Knöpfel war nicht da. Er lag mit Schüttelfrost im Bett. Doch auch ohne den glanzvollen Hochstapler schillert dieser Filmabend in den schönsten Tönen. Das Ausbleiben von Frank Knöpfel-Darsteller Devid Striesow quittieren die rund 350 Zuschauer im vollbesetzten Thalia-Saal natürlich mit einem enttäuschten „Schade“. Zu Recht. Nach dem subtil auslotenden Tiefgang auf der Leinwand hätte man den begnadeten Schauspieler natürlich auch gern live erlebt. Doch angesichts der strahlend schönen Nadja Uhl, die mit stolzem Schwangerenbauch die Bühne betritt, und dem schlagfertig witzelnden Jörg Schüttauf sind die Kinofreaks schnell versöhnt. Und der auch im Stehen locker moderierende Knut Elstermann sorgt ebenfalls dafür, dass der mitreißend tragikomische Film „So glücklich war ich noch nie“ ein spritzig-glückliches Finale in Gesprächsform findet.
Darin ging es natürlich als Erstes um den Finanzkollaps, den der Film im Kleinen reflektiert. „Ich habe nur ein altes Haus“, klingt Nadja Uhl fast froh. „Man kann alles mit Humor genießen, so lange es nicht das eigene Konto ist, das leergezockt wird“, sagt Jörg Schüttauf und sieht in den Banken nichts als Gaukler. „Da denkt man nur: ,Mist, hätten wir das Geld bloß unterm Kopfkissen gelassen’. Doch natürlich hofft jeder, dass er am Ende auf der Suppe oben schwimmt.“
Der Bogen zur Hochstapelei ist schnell geschlagen und noch weiter zur Schauspielerei gespannt. Doch den Vergleich weist der in Caputh lebende Jörg Schüttauf mit großer Geste zurück: „Ich tue nicht so, als ob. Mir liegt das Ausprobieren in den Genen. Außerdem schreibt der Hochstapler seine Drehbücher selbst. Und wir kriegen sie nach Hause geschickt.“
Nadja Uhl sieht indes durchaus eine Parallele: „Was wir in unserer Küche sind, würde am Roten Teppich nicht reichen. Dort spielen wir schon ein kleines Affentheater. Das ist so wie bei Devid Striesows Rolle: Im Putzkittel interessiert er keinen, im Anzug erobert er die Welt.“ Sie selbst wuchert im Film nicht nur mit kesser Lippe, sondern auch mit wenig Stoff und viel knackigem Fleisch. Schließlich spielt sie die Nutte Tanja, die der Hochstapler Frank aus ihrem Milieu retten will.
Auf die Frage, wie sie sich auf die Rolle vorbereitet habe, parliert die 36-Jährige schlagfertig: „Ich habe jedenfalls kein Praktikum in der Altenpflege gemacht“, und spielt dabei auf ihre Rolle in „Sommer vorm Balkon“ an. Doch der als neuer Geheimtipp gehandelte Regisseur Alexander Adolph habe gar nicht erwartet, dass sie recherchiere. Dennoch hörte sie sehr lange jemandem zu, der sein Leben lang in dem Milieu gearbeitet hat. „Immer wieder klang die Sehnsucht nach einer bürgerlichen Existenz durch, ebenso wie bitterer Sarkasmus.“
Tanja sieht in Frank ihren Spiegel. „Beide sind mit der Hochstapelei erfolgreich, nur nicht mit dem, was sie sind. Das Motiv ist traurig: Sie haben als Kind nie so gereicht, wie sie waren,“ sagt Nadja Uhl.
Bekannt als raubeiniger Fernseh-Kommissar geht Schüttauf in dem Kinofilm geradezu in einer gegenteiligen Rolle auf: Er gibt dem kleinen Knöpfel, den Bruder des Hochstaplers Frank, sanfte und mitfühlende Züge. „ Der lügt sich selbst in die Tasche und muss an den richtigen Stellen weggucken, sonst erträgt er es nicht.“ Um die Rolle zu bekommen, musste der mehrfache Grimme-Preisträger zum richtigen Vorsprechen. „Ich habe die gleiche Agentin wie Devid Striesow, und da ich gerade mal in der Luft hing, hab ich ihr wohl leid getan. Sie sagte zu mir: ,Geh mal hin, der Regisseur hat bestimmt nichts dagegen. Der konnte gar nicht glauben, dass ich die Rolle wirklich spielen will. Dabei war ich darüber fast so glücklich wie noch nie.“
Ein ganz anderer Fall als bei seinem Tatort-Kommissar Fritz Dellwo, wo er ständig mit Lederjacke über Dächer rennen muss und 80 Prozent seiner Sätze Fragen seien. „Das macht nicht den großen Spaß. Aber die Leute schauen es millionenfach. Na ja, manchmal sind sie ja auch ganz gut, auch die mit Sawatzki“, schiebt er versöhnlich nach. Für Nadja Uhl ist der Tatort indes die Heilige Kuh am Sonntagabend, an die sie sich noch nicht gewagt habe. Dafür geht sie ab Januar nach Malaysia, um „Das Dschungelkind“ zu drehen. Zusammen mit der ganzen Familie. Dann zu Viert.
Jörg Schüttauf erinnert bei diesem „Heimspiel“ im Thalia, dass er ebenso wie Nadja Uhl seine schauspielerischen Wurzeln am Hans Otto Theater habe. Gern würde er mal wieder dort spielen, „doch die Intendanten haben sich noch nicht dafür entschieden. Aber die wechseln ja auch ständig. Es ist schon turbulent, wie es da zugeht.“ Unvergessen ist sein Amadeus, und auch als Revisor brillierte er kurz vor der Wende in der bald darauf verbotenen Satire.
Und schon erzählt der 47-jährige gebürtige Chemnitzer seine eigene Felix Krull-Geschichte. Wie er 1986 an dem ersten Tag in Potsdam, als er seine Wohnung besichtigen wollte, mit dem Motorrad zum Restaurant Minsk fuhr und dort an einen Tisch mit einem fast unscheinbaren Mann platziert wurde. Der habe sich für einen Wessi ausgegeben und ihn so gelinkt, dass Schüttauf am Ende dessen Rechnung über 50 Mark bezahlte. Nur weil er selbst gern in dessen Westauto zur Diplomverleihung gefahren wäre. Hochstapelei? Aber nicht doch.
Heidi Jäger
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