Kultur: „Jetzt kommen unsere!“
Beim Wettbewerb um „Wilhelm-Kempff-Preis 2007“ wollten die Chöre vor allem eines: Singen
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Es beginnt mit bravem Beifall. Die Eröffnungsreden sind vorbei, jetzt werden die drei Jury-Mitglieder vorgestellt. Höflicher Applaus. Noch herrscht die offiziöse Stimmung einer Schulveranstaltung, an der man zumindest halb aus Pflicht teilnimmt. Noch. Die Aula des Helmholtz-Gymnasiums ist voll besetzt: Die schwarz-weiß gekleideten Sänger und Sängerinnen mischen sich mit Besuchern, Familien, Freunden. Lasst uns loslegen, scheint die verhaltene Atmosphäre zu sagen, endlich anfangen. Singen.
Acht Chöre aus fünf Brandenburger Schulen sind versammelt, um den „Wilhelm-Kempff-Preis 2007“ zu ergattern. In diesem Jahr sind das Runge-Gymnasium aus Oranienburg und das Potsdamer Leibniz-Gymnasium mit je einem Chor dabei, das Helmholtz-Gymnasium, das Arnold-Gymnasium Perleberg und das Praetorius-Gymnasium Bernau mit jeweils zwei Chören. Dass das nur Gymnasien sind: ein eigentlich unwillkommener Zufall. 30 Minuten pro Chor, um die Jury zu überzeugen. Der geht es neben Intonation, Farbigkeit und Dynamik des Vortrags vor allem um den Gesamteindruck. Um Hingabe an die Musik.
Spätestens mit Auftritt des Leibniz-Chores ist klar, dass es eine Beleidigung wäre, die Leute im Auditorium als Pflichtpublikum zu bezeichnen. „Jetzt kommen unsere!“, flüstert ein Mädchen ihrer Freundin vor dem Auftritt zu. Ein kraftvoller Auftakt: „Kyrie eleison“ mit einer beeindruckenden Solistin und einem Staccato, dass unter die Haut geht. Nicht nur den beiden Leibniz-Fans. Dass „klassisch“ nicht nur ernst bedeutet, zeigt das nächste Lied. Als Sopran und Alt schmachten: „Ach könnt ich doch wie Efeu dir Herz und Sinn umfangen“, zeigen Bässe und Tenöre den Mädels die kalte Schulter und zücken Skatkarten. Ekstatischer Applaus, nicht das letzte Mal an diesem Nachmittag. Meine Sitznachbarinnen sind erleichtert, es lief gut. „Aber nachher spielen ja noch unsere Erzfeinde, die Helmhöltzer.“ Sie lachen spielerisch. Was wäre schon ein Wettbewerb ohne einen Favoriten.
Zum Kochen kommt die Stimmung in der zweiten Kategorie, „Gospel/ Rock/ Pop“ mit Perleberg. Der Chor besticht vor allem durch seine Tiefe: Etwa die Hälfte der 24 sind Jungs, eine Seltenheit in Jugendchören. Mit dem Klassiker „Elijah Rock“ bringen sie das Publikum zum Brodeln, die Mädchen zum Schmelzen. Alle Chormitglieder tragen Schwarz mit einem Funken Rot: ein Band, eine Krawatte, ein Taschentuch. Der einheitliche, kraftvolle Klang zeigt, dass die Gemeinsamkeit nicht nur behauptet ist. Zwei Mädchen im Publikum johlen am Ende besonders laut. Sicherlich aus Perleberg? „Nee, Potsdam! Aber es ist einfach unglaublich, was die machen!“ Auch die Gastgeber liefern eine beeindruckende Show. „We will rock you“, ist das Versprechen des Helmholtzer Gospel-Chors mit seinem zweiten Lied. Sie halten es, und wie. Die Aula bebt, das Publikum klatscht mit bis zum letzten Ton, und darüber hinaus. „I believe I can fly“ singen sie am Ende. Und man sieht: die glauben wirklich daran. Dass sie fliegen können.
Zum achten Mal seit 1993 vergibt der Freundeskreis des Helmholtz-Gymnasiums den „Wilhelm-Kempff-Preis“. Aber nicht nur einen Preis gab es am Ende – sondern acht. Jeweils drei Preise in den beiden Kategorien, sowie zwei Ehrenpreise. Dotiert sind die Auszeichnungen mit Summen zwischen 600 Euro für die ersten Platzierungen und 200 Euro für die Ehrenpreise. Ermutigung ist das Programm der Veranstaltung: „Wir wollen einfach nicht, dass jemand enttäuscht nach Hause gehen muss“, sagt Helgert Weber, der Leiter vom klassischen Helmholtz-Chor. Gewonnen hat letztendlich der Gastgeber selbst: Sowohl in der Wertungskategorie Klassik-Chor als auch bei den Pop-Vokalisten gingen die Helmhöltzer als Sieger hervor. Mit einem zweiten Platz in der Klassik-Sparte sang sich ein weiterer Chor aus Potsdam an die Spitze: der Chor vom Leibniz-Gymnasium. Verlierer gab es keine. Lena Schneider
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