Kultur: Jochen Kowalskis Pasticcio
Der Berliner Altus gab im Innenhof des Pfingstberg-Belvedere einen sommerlichen Konzertabend
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Der Berliner Altus gab im Innenhof des Pfingstberg-Belvedere einen sommerlichen Konzertabend Von Klaus Büstrin Wache Flexibilität und neugieriger Einfallsreichtum sind gefragt, vor allem dann, wenn die Opernhäuser der Welt einen Sänger viel seltener zu Inszenierungen einladen als früher. Die Homepage Jochen Kowalskis verrät, dass er mehr und mehr auf den Konzertpodien – auch in der Provinz – mit dem Klassik- und Unterhaltungsmarkt jonglieren muss. Zu beobachten war dies auch bei seinem jüngsten Konzert in Potsdam. Im stimmungsvollen mediterranen Ambiente im Innenhof des Belvedere auf dem Pfingstberg gab der Berliner Altus einen sommerlichen Liederabend. Jochen Kowalski scheint noch zahlreiche Fans zu haben, die sogar aus Wien nach Potsdam anreisten. Auf der Wasserbühne wussten Kowalski und sein sympathisch-ambitionierter Klavierbegleiter, der Engländer Shelley Katz, eineinhalb Stunden gut zu unterhalten, mit einer fast zu bunten Mischung aus Highlights der Barockzeit, der Klassik und der Romantik. Ein Pasticcio war also zu erleben, das dramaturgisch nicht immer gelang. Auf die Altarie aus Pergolesis „Stabat mater“ (Jesu Muttter stand mit Schmerzen am Kreuz) hätte man beispielsweise an dieser Stelle gut und gern verzichten können, zumal Kowalskis Altus herbei wie auch bei den Bach- und Händel-Arien sehr angestrengt wirkte. Zwar wurden sie mit einer gut austarierten Diktion und mit langer Erfahrung im stilistischen Vortrag gesungen, doch leider spürt man nur noch einen matten Glanz des einst außergewöhnlichen Altus. Die Höhe jedenfalls klang auf dem Pfingstberg angestrengt, der Atem besaß selten Weite. Besonders war dies bei den Schubert-Liedern „Liebhaber in allen Gestalten“, „Die Forelle“ und „Wohin“ zu hören. Kowalski versuchte fast alles mit großer Intensität zu singen, was ihn leider dazu verleitete, mit zu viel Druck zu gestalten. Doch glücklicherweise kann er mit einem natürlichen Charme, mit einem geschickten Changieren der Stimmfarben sowie einer großen Ausdruckspalette immer wieder für sich einnehmen. Und so hat er den zweiten Teil des Konzerts bestens bestritten. Atmosphärisch dichte Lieder russischer Romantik von Glinka, Rimski-Korsakow, Tschaikowski und Tichon Chrennikow interpretierte der Altus teilweise in Originalsprache. Der Versuch, ihnen mit purem Schöngesang zu begegnen, wird ihm aber derzeit kaum noch gelingen, dafür aber eine Interpretation von seelenstarkem Ausdruck wie an diesem Abend. Ganz in seinem Element war Kowalski dann bei den köstlich-humorvoll, feinsinnig-edel vorgetragenen Arien aus den Opern „König Arhur“ von Purcell, „Orfeo ed Euridice“ von Gluck und „Lucrecia Borgia“ von Donizetti. Besondere musikalische Höhepunkte vermochte Shelley Katz nicht nur als Kowalskis sensibler Begleiter zu schaffen, sondern auch mit pianistischer Kompetenz als Interpret von Klaviersoli. Den Werken von Bach, Haydn, Schubert und Tschaikowski hat er in keinem Augenblick eine pauschale Wiedergabe bereitet, sondern eine jeweils gut durchdachte. Emotional besonders anrührend gelangen ihm das Impromptus in Ges-Dur op. 90 Nr. 3 von Schubert und die Romanze op. 5 in f-Moll von Tschakowski. Das Publikum im Innenhof des Belvedere war von beiden Künstlern sehr begeistert und spendete lang anhaltenden Beifall. Mehrere Zugaben wurden bereitwillig gegeben, von denen die dritte jedoch merklich unter Atemnot des Sängers litt.
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