zum Hauptinhalt

Kultur: Jüdischer Weg der Anpassung

Moses Mendelssohn (1729-1786), philosophische Vaterfigur der jüdischen Aufklärung, wollte den in Deutschland lebenden Juden die deutsche Kultur näher bringen. Zu erreichen hoffte er dies, indem er biblische Schriften ins Deutsche übersetzte.

Stand:

Moses Mendelssohn (1729-1786), philosophische Vaterfigur der jüdischen Aufklärung, wollte den in Deutschland lebenden Juden die deutsche Kultur näher bringen. Zu erreichen hoffte er dies, indem er biblische Schriften ins Deutsche übersetzte. Auf diese Weise versuchte er, seine jüdischen Zeitgenossen aus der Enge der Ghettos zu führen. Damit setzte er einen entscheidenden Wendepunkt in der deutsch-jüdischen Beziehungsgeschichte, wie der Historiker Julius Schoeps, Professor für deutsch-jüdische Geschichte an der Universität Potsdam, jüngst in einem Vortrag im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte darlegte. Schoeps sprach im Rahmen der Kulturland Brandenburg Reihe „Politik und Religion“ zum Thema „Judentum in der Moderne“.

Mendelssohn war einer der wenigen Juden, der sich vorstellen konnte, strenggläubig im Sinne von Talmud und Thora und zugleich aufgeklärter Staatsbürger zu sein. Symbolisch für die Position Mendelssohns ist die erwähnte Bibelübersetzung auch insofern, dass sie zwar in deutscher Sprache, jedoch in hebräischen Lettern gedruckt wurde. Doch Mendelssohn blieb eine Ausnahme und bereits seine Schüler mochten ihm nur bedingt folgen. Sie empfanden das Judentum nur noch als Konfession und nicht als Nation, zunehmend sahen sie sich also als Deutsche jüdischen Glaubens und nicht mehr als Juden in Deutschland.

Oft begriffen sie gar die vollständige Aufgabe ihres Judentums als Preis für den Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft. Immer wieder sei deshalb diskutiert worden, so Schoeps, ob in den Synagogen auf Deutsch statt auf Hebräisch und nicht mehr am Samstag, sondern am Sonntag gepredigt werden solle. In der Zeit der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 kam die neue staatsbürgerliche Verantwortung dann zum Tragen, als jüdische Soldaten, wie etwa der „Judenmajor“ Meno Burg, für ihre Heimat in den Krieg zogen. Besonders das noch relativ junge und aufstrebende Preußen bot vielen Juden Möglichkeit zur Identifikation. Heute jedoch gebe es, so Schoeps“ drastische Einschätzung, keine deutschen Juden mehr. Nach dem Holocaust und der demographischen Abnahme der jüdischen Bevölkerung in der Nachkriegszeit hegt der Historiker allerdings die Hoffnung auf ein neues Judentum. Mit den jüdischen Einwanderern aus der ehemaligen Sowjetunion könne durchaus neues jüdisches Leben in Deutschland einkehren, was freilich mit dem deutschen Judentum vor der Zeit des Nationalsozialismus nichts mehr zu tun habe. Für Schoeps war der jüdische Weg in die Moderne also vor allem ein Weg der Anpassung. Bestimmte Aspekte der jüdischen Geistesgeschichte hätten sich jedoch auf interessante Weise erhalten. So habe sich die ursprünglich rein religiöse Hoffnung auf den Messias zur weltlichen Idee entwickelt und etwa als Hoffnung auf Demokratie oder technischen Fortschritt fortbestanden. Dabei interessiert Schoeps auch die Rolle des Zionismus. Prinzipiell hält der Historiker die Idee eines eigenen jüdischen Staates für „antimodern“, genauer für eine Reaktion auf die Herausforderungen der Moderne, wobei er jede Form von Nationalismus als rückwärtsgewandt ansieht. Das Existenzrecht des Staates Israels griff er hierdurch jedoch nicht an. Wenn man den „Irren aus dem Iran“ höre, sei dies ja ohnehin gefährdeter denn je. Für Professor Schoeps sind die Israel feindlichen Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad aus den letzten Wochen unterdessen eine ernsthafte Gefährdung des Weltfriedens. Dringlicher hätte man den Rahmen von Politik und Religion in der Moderne kaum verdeutlichen können. Moritz Reininghaus

Moritz Reininghaus

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })