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Kultur: Junge Blicke

Charmante Pannen, nette Moderationen und gesicherte Finanzen zum Start des 33. Studentenfilmfestivals Sehsüchte

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Charmante Pannen, nette Moderationen und gesicherte Finanzen zum Start des 33. Studentenfilmfestivals Sehsüchte Die alte Dame im Dokumentarfilm beklagt sich über das blendende Licht, dem das Filmteam sie aussetzt und befiehlt fröhlich, es solle gelöscht werden. „Licht! Uwe, Licht!" rief es durch den Saal des Thalia-Kinos in Babelsberg. Hier war das Problem ein umgekehrtes. Entweder gab es überhaupt kein Licht, oder die Bühne blieb dunkel und der Zuschauerraum wurde hell, oder der Lichtkegel erhellte zwar die Bühne, erfasste jedoch nur den Sessel des Moderators, nicht aber die Chaiselongue der Moderatorin. In glänzendem rosa-rot-orangenem Abendkleid die eine und in schwarzem Anzug, Kappe, Turnschuhen und orangenem Hemd der andere, eröffneten Julia Grün und Daniel Maile das 33. Internationale Studentenfilmfestival Potsdam. Es findet im Rahmen des fünfzigjährigen Bestehens der Filmhochschule Babelsberg (HFF) statt, deren Studierende der Medienwissenschaften die Sehsüchte Jahr für Jahr organisieren. Der Präsident der HFF, Dieter Wiedemann, erinnerte an das zehnjährige Jubiläum des Namens „Sehsüchte", den Medienwissenschaftler erfunden hatten. Früher hieß das Festival schlicht „Studentenfilmtage". Der Saal war voll, das Publikum international und meist jung, Filmemachernachwuchs. Die Moderation wurde von Karten abgelesen, Julia Grün und Daniel Maile hielten je einen Stapel in der Hand. Das Ablesen nahm der Sache etwas Wind aus den Segeln, auch fehlte, aufgrund des zu haltenden Mikros, die dritte Hand zum Blättern. Doch wer soll sich die langen Listen der Begleitveranstaltungen, der Sponsoren, Preise und Jurymitglieder merken, die aufzuzählen waren. Die Schirmherrin Johanna Wanka, Brandenburgs Kulturministerin, brachte die freudige Nachricht, dass die Finanzierung des Festivals bis 2006 gesichert sei. Das Land stellt sich eindeutig hinter das einzige Filmfestival seiner Hauptstadt. Und Dieter Wiedemann freute sich über die Kompetenz seiner Studierenden, die sie mit der Organisation des Festivals so eindrucksvoll bewiesen. Dann kamen die Filme. Ein Beziehungsfilm aus dem Iran: „Reattachment“ (Regie: Saeed Nouri, 2002). Was soll man tun, wenn sich herausstellt, dass man sich mit dem Menschen, den man geheiratet hat, nicht versteht? Ein schwarzweiß Dokumentarfilm: „Jubilate“ (Regie: Irma-Kinga Stelmach, Produktion: HFF, 2004), über die Mutter, die von ihrer Tochter versorgt wird. Im Alter zurückkehrende Freiheit, wenn alle Benimmregeln und Verdrehtheiten des gesellschaftlichen Umgangs hinter sich gelassen werden. Die alten Augen, die in eine unglaubliche Ferne zu blicken scheinen, welche junge Menschen nicht kennen. Der Film „Indecision“ (Regie: Charles Barker, Großbritannien, 2003) verbildlicht effektvoll die Unentschiedenheit eines Mannes in Bezug auf eine Frau. Der makabre Zeichentrickfilm „Bummed out“ (Micha Volders, Belgien, 2003) erzählt von Mülleimern, die zu Waffenhändlern, Killern und Obdachlosen-Jägern werden. Dann die zweiminütige Reminiszenz an ein mittlerweile zur Filmgeschichte gehörendes Format: „Super für ihn“ (Philipp Hahn/Nicolas Widera, Deutschland, 2003) über Super-8-Filme, die das Publikum etwas ratlos zurückließ. Und aus Israel: „Oneg Shabat“ (Regie: Mihal Brezis/Oded Binnun, 2003). Ausgelassenheit und Katastrophen, jenseits von Terror und Krieg. Dieser Querschnitt durch das Festivalprogramm macht neugierig. Die Studierenden haben einiges zu erzählen. Junge Blicke in die Welt.Dagmar Schnürer Ruhiger Start Der Mittwoch gab sich traditionell ruhig bei den Sehsüchten in den Babelsberger Thalia Kinos. Der Nachmittag nach der Eröffnungsfeier lockte noch nicht viele in das stille Foyer. Die organisierenden Studenten ahnten das wohl schon und ließen sich bei den letzten Vorbereitungen und Umbauten nicht aus der Ruhe bringen. Nur eine junge Frau wirkte etwas angespannt. Jeder der gelegentlichen Neuankömmlinge wurde von ihr kurz gemustert und dann gefragt, ob er zum Workshop wolle. Meist erntete sie nur fragende Blicke. Ob der geplante Kurzfilm-Workshop, in dem am Mittwoch die Ideen entwickelt werden sollten, heute das Drehen und morgen das Schneiden des Materials geplant ist, an Teilnehmermangel krankt, wird sich am Samstag zeigen. Denn dann sollen die Filme dem Publikum präsentiert werden. Das Publikum in „Jugend 1“, dem ersten Filmblock des Tages, durfte dann auch gleich mit einer weiteren, in gewissem Sinne sogar schon lieb gewonnen Tradition bei den Sehsüchten Bekanntschaft machen. Die notorische Unpünktlichkeit bei den Filmstarts, meist verursacht durch technische oder organisatorische Probleme, sie wird auch in diesem Jahr die dicht gelegten Filmblocks begleiten. Doch gemeckert wird hier selten, denn gerade diese kleinen Macken machen den Charme dieses Filmfestivals aus. Sechs Filme gab es in „Jugend 1“ zu sehen und gleich mit dem ersten zeigten die Sehsüchte ein kleines Highlight. „Anfänger“ von Nicolas Wackerbarth erzählt von drei Berliner Jugendlichen, die zwischen Langeweile und Unberechenbarkeit durch ihren Tag treiben. Der eine verliebt, der andere auf Gewalt aus, der dritte nur von Langeweile getrieben, bricht in diesen tristen Alltag ein Geheimnis, das entsetzt, viel erklärt und viel mehr offen lässt. Wackerbarth umkreist seine Figuren, deutet dabei nur bestimmte Seiten an, so dass sich nur langsam die Teile zu einem spröden Ganzen fügen. Es folgte Weiteres über mehr oder weniger große Probleme von Jugendlichen, die dem Außenstehenden nicht immer allzu dringlich erscheinen. Aber wenn man den Dreikäsehoch Gonzalo in „El primer triunfo sentimental de Gonzalo Arcilla“ beobachtet, wie er sich müht und quält, seinem großen Bruder in den Ohren liegt, um von seiner ersten zarten Liebe endlich einen Kuss zu ergattern, das hat schon was. Dirk Becker

Dagmar Schnürer

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