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Kultur: „Junge Hunde“ bereits mit Biss

Stunde der Musik im Foyer des Nikolaisaals mit Bundes-Gesangs-Preisträgern

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Stunde der Musik im Foyer des Nikolaisaals mit Bundes-Gesangs-Preisträgern Von Gerold Paul Keiner weiß so genau, wo am Himmel oben und unten ist. Goldmarie etwa fiel in einen tiefen Brunnen und kam trotzdem „ganz oben“ an, bei Frau Holle. Hoch hinaus will auch, wer sich am jährlich stattfindenden Bundeswettbewerb Gesang in Berlin beteiligt. Das eigene Leistungsvermögen will ja erprobt, die Konkurrenz muss besichtigt sein, vielleicht springt sogar ein kleines Engagement dabei heraus. Alle zwei Jahre widmet sich diese landesweite Ausschreibung dem Nachwuchs für Musical, Chanson und Song. Unter dem eigenwilligen Titel „Junge Hunde“ stellte die Berliner Universität der Künste vier Preisträger des vergangenen Jahres im Foyer des Potsdamer Nikolaisaales vor, wobei mit dem 20-jährigen Gubener Martin Schäffner auch ein „Welpchen“ darunter war, wie der etwas schnurrige Moderator Marek Kalina anzumerken pflegte. Viel Publikum, denn die Preisträger von heute könnten die Stars von Morgen sein. „Hoch hinaus“ kann nun das Business bedeuten, dem man erst einmal gefallen muss, um es zu erobern, aber auch „künstlerische Selbstbestätigung“. Beides war im Konzert mehr oder weniger zu erkennen. Die etwas befremdliche Einteilung in eine A- und B-Kategorie wollte nicht auf Qualität verweisen, sie grenzt das Alter der „jungen Hunde“ ab. Mit Maria Thomaschke (Leipzig), der ganz originären Bente Stephan aus Kiel und dem in Gifhorn geborenen, aber in Kolumbien aufgewachsenen Marco Billep standen drei Nachwuchskünstler der A-Kategorie (ab 22 Jahre) mit hochinteressanten Biographien zum Konzert bereit. Jedem sein Soloprogramm Jeder gab ein kleines Soloprogramm seiner Wahl, zeigte Präsenz und Ausdruck ganz nach Vermögen, aber auch eigene Vorbilder an. Die Leipzigerin etwa erfüllte mit mehreren Kreisler-Nummern die „Vorgabe“, wonach junge Hunde zwar verspielt, aber auch schon „bissig“ sein dürfen, wie beim „Tigerfest“. In den Interpretationen von „Surabaya-Johnny“ und anderen Brecht/Weill-Klassikern gab sie überzeugende Proben ihres lyrischen und dramatischen Brettl-Talents, gute alte Schule, die vielleicht auf eigene Lebenswege verweist. „Lass es regnen“ (Text und Musik Achim Amme) im sächsischen Heimatdialekt vorgetragen, war eher ein faux pas. Stefan Weinzierl begleitete sie mit großer Behutsamkeit am Flügel. Martin Schäffner, dessen Korrepetitor Adam Benzwi ihm einen „schönen Bariton“ nachsagt, übte sich mit Stimme und Geste an bekannten Vorbildern der aktuellen Musical-Ästhetik. Mit locker-natürlicher Ausstrahlung stellte er Songs aus „Golden Boy“ und „Kuss der Spinnenfrau“ vor, indes ihm das „ernste“ Fach des Chanson („Erinnerung an Marie A." nach Brecht/Brunier) nicht ganz so überzeugend gelingen wollte. Marco Billep scheint ein Multitalent zu sein. Obwohl er noch an der UdK studiert (Musical/Show), hat er doch alles, was Bühne und Publikum von einem Sänger und Darsteller erwarten. Seit 2002 Stipendiat der Günter-Naumann-Stiftung, wirkte er als Solist in Bernsteins „Mass“ mit, trat in der Berliner Philharmonie unter Leitung Abbados in dem Oratorium „All Rise“ erfolgreich auf. Man merkte es bei „Girls! Girls! Girls!“ und „I got life“ „(Hair“). Günter Neumanns Song „Mimose“, darin ein Mann ob seines zarten Empfindens sich überall Vorteil zu schaffen weiß, geriet ihm sehr "männisch". In spani-scher Sprache „Fuego de Infierno“ (aus dem Glöckner von Notre Dame, 1999), deutsch das „Miserere“ aus Eisler/Brechts „Schwejk im 2. Weltkrieg“. Freilich überzieht er die Darstellung seiner Vorträge gelegentlich ein wenig. Ein „Junger Hund“? Auch Bente Stephan fiel unter den „Azubis“ der darstellenden Kunst aus dem Rahmen. Sie bewarb sich auf den Rat von Freunden für den Wettbewerb 2003, und eroberte prompt den Sonderpreis der Walter-Kaminsky-Stiftung. Ausgebildet in Gesang, Kla-vier und Violine, studierte sie Schulmusik in Frankfurt/M., dann Musikwissenschaft und Romanistik in Lyon, wo sie Straßen-Musikanten und auch Liedermacher traf. Sie begleitete ihre wunderbare Stimme auf Gitarre und Flügel selbst, dichtet und komponiert sogar Songs, wie das lyrische „Dreamin'' of Sweden“ und die Geschichte einer jungen Schönheit, die allein lebte und keinen liebte - „Märchentrauer“. Zur Gitarre spielte und sang sie „La Plage“ - Erinnerung an einen guten Freund in Frankreich, der dieses wunderbare Lied erfand. Wau! Das Foyer zeigte sich ob dieser kurzweiligen „Stunde der Musik“ aus Kopien und Originalen über 120 Programm-Minuten begeistert. Wer von dem Preisträger-Quartett „nach oben“ kommt und wer erst durch den Brunnen muss, weiß nur die Zukunft. Manchmal ist „oben“ ja eher „unten“. Aber gut war''s imNIkolaisaal-Foyer. Bis in zwei Jahren denn!

Gerold Paul

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