Kultur: Jungmann an der Potsdamer Napola Hans Müncheberg liest aus seinem Roman
„Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen. Heil Hitler!
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„Mir geht es gut, macht euch keine Sorgen. Heil Hitler! Hänschen!“ So endet die erste Nachricht, die Hans Müncheberg im April 1940 an seine Eltern nach Templin schickt. Gerade erst war der zehnjährige Junge als Schüler an die Nationalpolitische Erziehungsanstalt nach Potsdam gekommen. An diesen im Volksmund mit Napola abgekürzten Schulen soll die künftige Elite des Dritten Reichs herangezogen werden. Als Vorbild für das Ausbildungsprogramm dienen die englischen Internatsschulen, wobei der militärische Charakter der körperlichen Ertüchtigung von Beginn an eine große Rolle spielt. Bis zum Kriegsbeginn 1939 sind Austauschprogramme mit englischen und US-amerikanischen Schulen üblich. Rekrutiert werden die Schüler, „arische Herkunft“ vorausgesetzt, nach einer einwöchigen Aufnahmeprüfung, die nicht nur aus intellektuellen Leistungsproben, sondern auch aus Mut- und Kampfspielen besteht.
„In Potsdam war alles größer als in Templin“, beschreibt Münchebergs alter ego seinen ersten Eindruck vom Gelände der Napola an der Saarmunder Straße im Roman „Gelobt sei, was hart macht“, der am morgigen Mittwoch im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte von Hans Müncheberg vorgestellt wird. Entlassen aus der Obhut der Familie, ist es zunächst Heimweh, die der geforderten Härte entgegen steht. Doch der Druck des Vaters und die sich auflösenden Familienverhältnisse verhindern eine Rückkehr nach Templin. Der Junge muß sich über fünf Jahre hinweg einpassen in das System von Schikanen und Solidarität unter den „Jungmannen“, wie die Zöglinge genannt werden. Die NS-Ideologie wird hier nicht mit dem Holzhammer verbreitet, da deren Grundzüge von den Kindern ohnehin schon verinnerlicht sind. So können die Lehrer, die zumeist selbst von der Ideologie, die sie vermitteln, überzeugt sind, viel subtiler vorgehen. Die Vorführung von „russischen Beutefilmen“ im Nikolaisaal gehört dabei gleichermaßen zum Alltag wie das Kampfspiel auf dem Bornstedter Feld. 1945 werden die Schüler der SS unterstellt und im aussichtslosen Kampf gegen die anrückende Rote Armee bei Spandau eingesetzt. Während ein Großteil der Jugendlichen umkommt, setzt sich der Rektor der Potsdamer Schule in den Westen ab, wo er später weiter als Lehrer arbeitet.
Dass die Figuren und Ereignisse in Münchebergs Roman authentisch sind, wird beim Vergleich mit der überlieferten Familienkorrespondenz deutlich. Trotz seiner Vergangenheit als Eliteschüler im Nazi-Regime gelingt Müncheberg – wie auch seinem Protagonisten im Roman – 1948 im zweiten Anlauf die Zulassung zum Studium. Er arbeitet als Dramaturg zunächst für die Defa und anschließend für das DDR-Fernsehen, wo er rasch an die Grenzen des neuen Regimes stößt. Müncheberg hat die ideologische Pervertierung von Idealismus und Intelligenz in zwei Systemen erlebt. Seine Aufzeichnungen bieten nicht nur eine Innensicht auf die NS-Erziehungs- und Ausbildungsmethoden, sondern zugleich einen Rückblick auf die Nachkriegszeit im geteilten Deutschland. Nicht häufig fällt die persönliche Zeugenschaft mit dem Vermögen zusammen, das Erlebte literarisch zu reflektieren. Insofern stellt Münchebergs nachdenklich-abwägende Rückschau auf das eigene Leben aus dem Abstand einer doppelten Zeitenwende einen Glücksfall dar. kip
Lesung und Gespräch mit Hans Müncheberg am morgigen Mittwoch, 18 Uhr, im Haus für Brandenburgisch-Preußische Geschichte. Den Abend moderiert Peter Walther vom Brandenburgischen Literaturbüro. „Gelobt sei, was hart macht“ ist im Nora Verlag erschienen. Die Korrespondenz des Napola-Schülers Müncheberg mit seiner Familie ist nachzulesen in: Die Russen sind da. Kriegsalltag und Neubeginn 1945 in Brandenburg, Lukas Verlag 2011, sowie auf www.zeitstimmen.de
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