Kultur: Justizskandal
„Schaufenster“ im HBPG: Friedrich II. als Richter
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Es geht ein bisschen um die Rechthaberei Friedrich II., aber auch um sein Faible für die kleinen Leute. Vor allem aber um unkonventionelle Methoden, zu denen der König griff und die für Mythenbildung sorgten. Die kleine „Schaufenster“-Ausstellung des Brandenburgischen Landeshauptarchivs im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG), die am gestrigen Donnerstag eröffnet wurde, erzählt anhand keineswegs verstaubter Akten über einen legendenumwobenen Prozess, in dem der König die Waage der Justiz selbst in die Hand nahm und die Richter ihres Amtes enthob, ja sie sogar in die Festung Spandau werfen ließ.
Stein des Anstoßes war Müller Arnold aus dem neumärkischen Dorf Pommerzig, Erbpächter der Krebsmühle. Oberhalb des Fließes, die seine Mühle bewässerte, ließ der Landrat 1770 einen Karpfenteich anlegen. Als der Müller mit der Zahlung seiner Pacht in Verzug kam, machte er den Teich dafür verantwortlich, der seiner Mühle zu viel Wasser entziehe. Der Müller wurde dennoch zur Zahlung verurteilt und als diese ausblieb, in Haft genommen. Der König, der eine Bittschrift vom Müller erhielt, witterte Parteilichkeit und zeterte: „Wan die Justiz Ungerechtigkeiten tuhet ist sie schlimer wie Strasen Reüber, ein Müler ist ein Mensch eben so guht wie ich bin“.
„Wohl kein Prozess in der friderizianischen Zeit hat über Preußen hinaus so viel Aufsehen erregt“, sagte Klaus Neitmann, Direktor des Landeshauptarchivs. Er habe sechs Jahre gedauert und endete mit einem Justizskandal. Friedrich annullierte die Urteile der Richter zugunsten des klagenden Müllers. Am Tag von dessen Entlassung huldigten Hunderte Untertanen dem König vor dem Berliner Schloss. Bürgerhäuser waren abends erleuchtet und zeigten Bildnisse des Königs. Die Richterschaft, deren Unabhängigkeit recht weit gediehen war, fühlte sich indes in ihrem Ansehen stark beschädigt. Der König hatte die Vernehmung der Kammergerichtsräte selbst durchgeführt, ohne jedoch ihrer Argumentation Gehör zu schenken. Mit rüden Worten annullierte er das Urteil. „Doch indem er Recht schaffen wollte, praktizierte er selbst Unrecht: Die adligen Behördenspitzen verschonte er, die bürgerlichen Räte kamen in Haft. Beweise dafür, dass die Richter parteiisch waren und Recht gebeugt hatten, ließen sich jedenfalls nicht finden“, so Kurator Werner Heegewaldt. Dem König sei durchaus bewusst gewesen, dass seine Strafe im Zorn übermäßig war. Doch als König konnte er nicht mehr zurück.
„Es geht in der Ausstellung nicht um Polemik. Wir wollen den König beim Regieren über die Schultern schauen“, so Neitmann. Und das soll auch in den folgenden drei „Schaufenster“-Ausstellungen zum Friedrich-Jahr im HBPG geschehen. Die beleuchten Friedrichs Verschönerungsbestreben in der Residenzstadt Potsdam, begleiten den König auf seinen Inspektionsreisen durch die Mark und zeigen, wie er eine Provinz auch in Frieden eroberte: durch Melioration. Es geht um die Hebung von Schätzen, die sonst unter Verschluss sind. So wie das jetzt ausgestellte Tagebuch eines inhaftierten Regierungsbeamten, der sarkastisch von seiner doch recht lockeren Festungszeit schrieb.
Nach dem „Müller-Arnold-Prozess“ wurde im Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 festgeschrieben, dass fließende Gewässer öffentliche Sachen im gemeinen Gebrauch sind. Zur Freude späterer Müller. JÄ
HBPG, Kutschstall, Am Neuen Markt 9, bis 30. April, Di bis Do 10 bis 17 Uhr, Fr 10 bis 19 Uhr, Sa/So 10 bis18 Uhr
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