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Schaufensterpuppentorso und Melone, fertig ist der Don Quixote. Friederike Rinne-Wolf umgarnt den Ritter, im Hintergrund spielen die Musiker von Celeste Sirene.

©  Klaer

Kultur: Kampf gegen „böses Gezücht“

Das Ensemble Celeste Sirene verzaubert und entzaubert „Don Quixote“ im Garten

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Der Satz „Nichts scheint so, wie es ist, und nichts ist so, wie es scheint“ richtet jede wohlgefügte Ordnung zugrunde. Jenseits davon gibt es nur noch Poesie und Kunst. Welche Freude, dass man dies auch beweisen kann. Am Donnerstag gastierte im Klein-Glienicker Garten der Familie Tilman Muthesius das Berliner-Potsdamer Ensemble „Celeste Sirene“, vier Musiker, die sich der alten Musik in „historischer Aufführungspraxis“ verschrieben haben.

Ihr Programm „Don Quixote“, eine hübsche Melange aus historischer Musik, Gesang und szenisch angelegtem Spiel, blieb diesen Beweis nicht lange schuldig. Seine Angebetete selbst, Friederike Rinne-Wolf in der Rolle der süßen Dulcinea, erzählte der dreißigköpfigen Abendgesellschaft von seiner traurigen Mär. Wie er nur Junker, kein Ritter war, so war sie auch kein Hohes Fräulein, sondern ein einfaches Mädel aus derNachbarschaft. In der von Harfenist Nils Badenhop montierten Geschichte baut sie ihren Galan unter dem Seufzer „Hätt ich das nur gewusst!“ erst mal aus einem Schaufensterpuppentorso zusammen: Unterm Sturmhut eine Wassermelone als Kopf, Langhemd, Panzer, Pluderhose.

Mal erzählt sie, mal ihr mitgebrachtes Buch, was ein gewisser Cervantes über ihren Helden schrieb, dazu spielten die Ensemblemitglieder Daniel Kurz (Laute, Theorbe), Christiane Gerhardt (Gambe) und Tilman Muthesius (Bassgambe) sowie ihre Gäste Susan Seegers (Flöten, Fagott) und Anja Herrmann (Schlagwerk) Lieder und Tänze aus dem 16. Jahrhundert. Konfektion: Zeitgenössische Kostüme im vornehmen Schwarz Spaniens, passende Allonge-Perücken. Rote Lippen. Das Publikum saß auf alten Stühlen und Bänken, nahe am Teltowkanal, darüber Möwen, Schwalben und etliche dieser lästigen Flugzeuge.

Ein schöner, windstiller, ganz normaler Sommerabend. Trotzdem war nichts so, wie es schien. Ist die Imagination erst einmal da und Don Quixote endlich zum Ritter geschlagen, dann verwandeln sich nicht nur Kneipendirnen in reine Burgfräuleins, Windmühlen in Riesen und ihr Müller zum gewaltigen Zauberer, dann fragte man auch, was da in Kormorangestalt über einem fliegt und, als Motorboot getarnt, auf dem Wasser vorbeiknattert. Sogar ein kleiner Junge stieg mit Flossenfüßen aus der Havel.

Obwohl in dieser neunzigminütigen Inszenierung noch viel mehr an Unordnung drin wäre, schaffte es die Sopranistin Friederike Rinne-Wolf wie die „Himmlischen Sirenen“ alle Welt ins Reich der Phantasie zu führen. Hübsche Idee, den Kopf des Don, der sämtliche Kämpfe gegen das „böse Gezücht“ verliert und zuletzt doch Sieger ist, als Wassermelone unterm Publikumsvolk zu verteilen. Toll auch, wie die Percussionistin mit Fackeln den Feuertanz wagt. Die gewollte Asynchronität – anfangs viel Musik, wenig Szene, zum Ende hin umgekehrt – funktionierte auf dem kleinen Bühnenpodest nicht so gut. Doch mal ehrlich, wer könnte Schein und Sein schon sicher auseinanderhalten? Gerold Paul

Gerold Paul

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