zum Hauptinhalt

Kultur: Kampf um die Seele der Musik

„About A Band“: Ein bewegendes Stück über jugendliche Rock-Band-Träume

Stand:

Es ist der Traum, den wohl jeder Teenager-Rockfan irgendwann einmal hat: Mit Schlagzeug, Gitarre, Bass, Mikro und Freunden eine Band gründen, endlos im Probenraum jammen, entdeckt werden, die eigenen Songs im Radio hören, vielleicht mit der Musik sogar reich und berühmt werden. Im Fall von „Willie Brown“ ist das fast genauso. Und doch ganz anders. Das Schicksal der jungen Band ist Mittelpunkt von „About A Band“, dem neuen Stück am Hans Otto Theater, das am Dienstagabend seine Uraufführung hatte. Dieses musikalische Schauspiel ist in seiner geradezu kindlichen Unschuld eine Hommage an die großen Gefühle, die kreatives Rocken bei jungen Künstlern auslösen kann.

Am Anfang sind „Willie Brown“ jedoch ein „Nichts“ aus vier musikalisch nicht sonderlich talentierten Schülern. Ihre Lieder stinklangweilig, ihr Umgang mit Instrumenten schrecklich. Bandgründer, Gitarrist und Sänger Peter weiß um die Misere und sucht Hilfe. Er hofft auf seinen Nachbarn Daniel, den er öfters einmal abgefahrene Rock-Sachen auf dem Klavier hat spielen hören. Doch ein Problem gibt es: Daniel ist einer jener Jungen, die nach dem Pausenklingeln geärgert werden, die Inkarnation eines „Strebers“ und „Muttersöhnchens“. So gibt es schon Streit, als er bei der ersten Probe erscheint, besonders der arrogante zweite Gitarrist Micky möchte ihn eigentlich gleich wieder rauswerfen. Der nächste Zoff steht an, als Mickys Freundin Jule als zweite Sängerin einsteigt – die er bereits mit anderen Mädchen betrügt. Noch verwickelter wird es, als Bassist Paul sich immer heftiger in die Schlagzeugerin Kim verliebt; sie sich aber keine Beziehung vorstellen kann, um das Projekt „Willie Brown“ nicht weiter zu gefährden. Trotzdem raufen sich die sechs Musiker irgendwie zusammen. Und haben plötzlich unerwartet viel Erfolg ...

Freilich, die Beziehungskisten bei „About A Band“ wirken konstruiert, nicht jede Gefühlswallung der sechs Figuren ist logisch nachvollziehbar. Ebenso sind die Charaktere überzeichnet, gerade Micky mit seiner extrem aufgeblasenen Art wirkt oft einfach zu aufgesetzt. Doch ist die genaue Analyse verschiedener Seelenleben auch nicht der Sinn des Stücks aus der Feder des britischen Autors Nick Wood, dessen „Fluchtwege“ ebenfalls schon am Hans Otto Theater erfolgreich aufgeführt wurden.

Seine bewegendsten Momente hat das Stück immer dann, wenn die künstlerische Entwicklung der Band im Vordergrund steht. Da ist etwa die obligatorische Suche nach dem Bandnamen. „Feuerlöscher“ oder „Heimatlos“, die Möglichkeiten scheinen endlos, bis plötzlich ein Geistesblitz wie „Willie Brown“ im Raum steht, auf den sich alle einigen können. Und da ist kurz darauf die erste Sinnfrage, die sich jede junge Band stellt: Wie können wir unverwechselbar werden? Lieber progressiv musizieren oder in Richtung Massengeschmack? Oder geht gar beides? Solche Kämpfe sind leidenschaftlich gespielt von allen sechs Schauspielern, ihr Ringen um die künstlerische Seele für „Willie Brown“ ist glaubhaft, oft sogar anrührend in ihrer jugendlich-naiven Begeisterung an den eigenen Klängen.

Die kreativen Auseinandersetzungen über die Essenz des Rock’n’Roll werden in der flotten und witzigen Inszenierung mit den von Daniel, alias Andreas Dziuk, für das Stück komponierten Rock-Nummern unterstützt. Diese klingen im Verlauf des knapp zwei Stunden immer professioneller, Songs wie „Change“ sind am Ende edle rockige Pop-Nummern. Nicht zu weich, um wie Schlager zu wirken, aber auch nicht zu hart für älteres Publikum. Ohrwurmende Melodien, die sich durch häufige Wiederholung während der Aufführung zwangsläufig im Hirn festsetzen. Zudem hat Marie-Luise Lukas, alias Jule, eine starke markante Stimme – am Ende verlangt das begeisterte Publikum sogar Zugaben.

Spätestens da zeigt sich die Begeisterung, erscheint „About A Band“ als eine manchmal schon fast sentimentale und bewegende Rückschau auf die einprägenden Erlebnisse, die Jugendliche nur mit „ihrer“ Musik haben können. Die Gänsehaut darüber ist das schönste Geschenk, das die Aufführung ihrem Publikum macht, auch wenn sie sonst keine tieferen Erkenntnisse über das Wesen der Welt vermittelt. Doch schon Beethoven sagt, dass Musik eine höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie sei. Und so ist es wohl gerade das scheinbar einfache Thema des Stücks, das bei der Premiere die Zuschauer zur Begeisterung über die munter drauflos rockenden „Willie Brown“ treibt. Und zur Melancholie: Denn irgendwann steht jede Band, egal wie berauschend ihr Erfolg am Anfang auch sein mag, vor dem Scheideweg: Bürgerliches Leben und Karriere in „normalen“ Berufen? Oder doch das aufregende Risiko als Vielleicht-Super-Star? Eine endgültige, herzblutende Entscheidung, die viel, viel schwieriger noch als das Schreiben von Liedern ist. Henri Kramer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })