Kultur: Kanonkunst und Galanter Stil Die kleine Cammermusik im Friedenssaal
Zwei europäische Größen begegnen sich am 7. Mai 1747 im Potsdamer Stadtschloss: König Friedrich II.
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Zwei europäische Größen begegnen sich am 7. Mai 1747 im Potsdamer Stadtschloss: König Friedrich II. und Johann Sebastian Bach. Daraus erwuchs eine sichtbare und musikgeschichtlich überaus bedeutsame Folge: Bach komponiert eines seiner kontrapunktischen Gipfelwerke, ja wohl das Gipfelwerk des Kontrapunkts schlechthin: „Das musikalische Opfer“ über ein Thema, das ihm Friedrich der Große zur zunächst improvisatorischen Bearbeitung aufgibt. Dieser Tag im Mai 1747 gilt als großer Moment der Musikgeschichte.
Am kommenden Sonntag wird die in Potsdam beheimatete „Kleine Cammermusik“ mit Dora Ombodi (Flöte), Wolfgang Hasleder und Rahel Mai (Violine), Kathrin Sutor (Violoncello) und Sabine Erdmann (Cembalo) im Friedenssaal Bachs „Das musikalische Opfer“ und Triosonaten von Johann Philipp Kirnberger sowie Johann Gottlieb Graun zu Gehör bringen – Kanonkunst und Galanter Stil am Hofe Friedrichs des Großen.
Das musikalische Können Johann Sebastian Bachs, der seinen Sohn Carl Philipp Emanuel – Cembalist der Hofkapelle – in Potsdam besucht, wird von Friedrich auf die Probe gestellt. Der Bach-Biograf Forkel berichtet, dass während einer Abendmusik, bei der Friedrich wieder die Flöte bläst, ihm gemeldet wird, der Thomaskantor warte im Vorzimmer. Der König bricht mit den Worten „Meine Herren, der alte Bach ist gekommen!“ das Konzert ab. Bach muss in allen Zimmern des Stadtschlosses die Cembali oder Hammerklaviere durchprobieren. Dann muss der Kantor über ein königliches Thema fantasieren. Wieder in Leipzig macht er sich daran, die Themen, über die er in Potsdam vor dem König improvisierte, auszuarbeiten. So entstanden die beiden Ricercari zu drei und sechs Stimmen, mehrere Kanons über dasselbe Thema und schließlich als Verbeugung vor der Flötenkunst des Königs eine viersätzige Triosonate für Flöte, Violine und Generalbass.
Bei allem Respekt für Bach galt der Thomaskantor in den Augen des Königs aber als altmodisch, der erstaunlich viel konnte, aber eine Musik schrieb, die niemand mehr hören wollte. Dieser eher abstrakten Komposition – die Triosonate ausgenommen – mit ihrer oft nüchternen Rhetorik steht der Galante Stil gegenüber, der nicht verstören soll, sondern Natürlichkeit und Verständlichkeit für sich beansprucht mit zumeist einfachen, aber effektvollen harmonische Abläufen. Der König meinte, dass die schönen Künste angenehm und ergötzend sein sollten und der Ausdruck nie bis zur höchsten Reibung und Erschütterung getrieben werden dürfe.
Damit konnten Johann Gottlieb Graun, der wie sein Bruder Carl Heinrich Graun das musikalische Leben am Hofe Friedrichs II. prägte, und Johann Philipp Kirnberger, der Kompositionslehrer der Prinzessin Anna Amalia, dienen. Beide stehen zwischen dem auslaufenden Barock und dem aufkommenden Galanten Stil, der schließlich zur Klassik überleitete. „Die kleine Cammermusik“ spielt die Triosonate in c-Moll von Graun, von Johann Philipp Kirnberger aber auch die Triosonate in g-Moll. Kirnberger, der aus dem Dunstkreis Bachs entstieg und bei diesem möglicherweise zwei Jahre Unterricht genoss, komponierte wohl nicht so sehr viel, zumindest sind nicht viele Werke von ihm überliefert. Er war ein eher „konservativer“ Komponist, der von Bach viel lernte, doch auch dem Galanten Stil nicht abgeneigt war. Klaus Büstrin
Konzert am kommenden Sonntag, 12. August, 17 Uhr im Friedenssaal, Schopenhauerstraße 23. Der Eintritt kostet 14 Euro, ermäßigt 10 Euro
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