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Kultur: Kargheit und Opulenz

Ein Opernabend des Hans Otto Theaters im Schlosstheater mit Monteverdi und Weill

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Ein Opernabend des Hans Otto Theaters im Schlosstheater mit Monteverdi und Weill Von Klaus Büstrin Als „Il combattimento di Tancredi e Clorinda“ 1624 in Venedig uraufgeführt wurde, bewerkstelligte man dies mit barocken Pomp, 2005 dagegen erlebt man auf der Bühne - in Potsdam im architektonisch glanzvollen Schlosstheater – eine eher karge Ausstattung. Zwei oder drei Wände genügen, um eine dichte Atmosphäre dem kriegerischen Sujet zu geben, dem Zweikampf zwischen dem Kreuzritter Tancred und der erst angesichts des Todes zum „rechten Glauben“ findenden sarazenischen Heldin Clorinda, die als Mann verkleidet, in die Schlacht gegen die Kreuzritter zieht. Gut 20 Minuten dauert der Kampf der beiden, die am Ende erst ihre Liebe entdecken. Für den ersten Teil des Opernabends schien dies dem Inszenierungsteam des Hans Otto Theaters um Regisseur und Bühnenbildner Gisbert Jäkel sowie dem Dirigenten Wolfgang Katschner nicht lang genug zu sein - sonst wäre ja der umfangreiche Bühnenumbau für den zweiten Teil mit Kurt Weills „Die sieben Todsünden“ länger gewesen, als die jeweiligen Musiktheaterstücke. Und so suchte man in Monteverdis reichem Schaffen nach geeigneten Werken, und fand Madrigale und ein Lamento, die das „Combattimento“ anreichern, die die Figuren mit ihren Sehnsüchten, Klagen und Kampfesenthusiasmus in das eigentliche Stück einführen. Die Sänger (Stefanie Wüst, Henning Kaiser, Christian Immler, Maximilian Schmitt und Tye Maurice Thomas) bleiben stets die Meditierenden, die Erzählenden. Die von ihnen zu schaffenden Bilder sind eher in der Abstraktion zu finden. Ihr Gesang ist jedoch von edlem Klang gekennzeichnet, aber auch manch rauhe musikalische Farbe bleibt erhalten. Die Aktion der beiden Hauptpersonen obliegt den beiden Tänzern Geta Bahrmann und Philip Niel Kilner. Wie sie als Tancred und Clorinda sich einen blutigen Kampf liefern, ist in seiner choreographischen Dichte von stark beängstigender Kraft. Die Lautten Compagney Berlin unter Wolfgang Katschner wusste mit ihrem historischen Instrumentarium das Erregende und das Tonmalerische der Musik trefflich zu Gehör zu bringen. Stolz und Zorn spielen in Monteverdis „Combattimento“ eine wichtige Rolle. Sie und die anderen fünf Todsünden – Faulheit, Völlerei, Unzucht, Habsucht und Neid – finden sich in Kurt Weills und Bertolt Brechts Bühnenwerk aus dem Jahre 1933, das mit der herkömmlichen Oper nichts zu tun hat. Primitives wechselt mit Rafffiniertem. Anna, das Mädchen aus Louisiana, wird von ihrer Familie (Mutter, Vater und zwei Brüder) in die Welt hinaus geschickt, damit sie das große Geld verdient. Auf dem Weg dahin, erlebt sie, das brave Mädchen, albtraumhaft die andere Seite ihres Wesens, Anna II. Um zu Finanzen zu kommen, nimmt sie jeden Job an, und ist er noch so verwerflich. Brecht wollte auch hier mit Direktheit - vielleicht mit zu aufdringlicher – soziale Ungerechtigkeit anprangern. Gisbert Jäkel hat in den „Sieben Todsünden“ in Regie und Bühnenbild, auch in den Kostümen von Antje Sternberg, alle Kargheit zurückgelassen und dem Geschehen eine fast revuehafte Opulenz gegeben. Bei aller fantasievollen Gestaltungslust kommen Schärfe und Bissigkeit Brechts gegenüber den traurigen Zuständen jedoch zu kurz. Da wirkt das Musikalische der sieben Bilder, die wie Filmsequenzen über den Zuschauer herfallen, überzeugender. Katschner und die Lautten Compagney, die durch die Kammerakademie Potsdam verstärkt wird, werden der farbigen Musik erstaunlich gerecht, denn in der Interpretation von Weills Kompositionen haben sie wenig Erfahrung. Die hat jedoch in großem Maße Stefanie Wüst, die die Anna Ibewegend singt. Und Geta Bahrmann weiß als Anna II wirkungsvoll die verschiedenen, teilweise „sündigen“ Aktionen zu gestalten. Die Familie wird von einem Männerquartett gesungen. Mit Humor sind die Sänger aus dem „Combattimento“ bei der Sache. Über 300 Jahre liegen die Entstehungszeiten beider Werke auseinander. Doch Monteverdis Musik wirkt immer noch frisch. Dies war in Potsdam deutlich zu vernehmen. „Il Combattimento di Tancredi e Clorinda“ hinterließ in der bejubelten Premiere beim Rezensenten einen nachhaltigeren Eindruck als das Weill-Werk. Da blieb in der Inszenierung nichts an der Oberfläche.

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