Kultur: Kein Beruf mit Aktentasche
Susanne Bormann spielt in dem Film „Mörderischer Frieden“ die junge Serbin Mirjana. Morgen ist Kinostart
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Als Susanne Bormann innerhalb einer Langzeitstudie gefragt wurde, welche fünf Bereiche ihres Lebens ihr am wichtigsten sind, antwortete die Kleinmachnowerin spontan: Der Freund, die Freunde, die Familie, die Natur, und dass es immer etwas Neues zu entdecken gibt. „Wo aber bleibt die Arbeit?“, fragte verdutzt die Interviewpartnerin Pia Steffens, die die Schauspielerin zehn Jahre lang für ein Projekt dokumentarisch begleitet. Auch Susanne Bormann war über ihre „Bauch-Antwort“ überrascht. Beim genaueren Überlegen wurde ihr indes klar, dass die große Leidenschaft für ihren Beruf vor allem darin wurzelt, dass sie durch ihn immer wieder Neues entdecken kann.
Gerade ist sie in Marokko unterwegs, um an der Seite von Moritz Bleibtreu, Martina Gedeck oder Bruno Ganz für den „Baader-Meinhof-Komplex“ zu drehen. Sie selbst spielt in dem Film von Uli Edel eine RAF-Frau aus der ersten Generation: Irene Goergens. „Mit dunkler, kurzhaariger Perücke. Ich erkenne mich fast selbst nicht wieder.“
In dem Drama „Mörderischer Frieden“, das morgen in die Kinos kommt, konnte sie zwar äußerlich sehr nah bei sich bleiben. Doch um die junge Serbin Mirjana auch innerlich zu fühlen, musste sie eine weite Wegstrecke zurücklegen. Dieser Debüt-Spielfilm von Rudolf Schweiger spielt im Kosovo Ende der 90er Jahre. Deutsche Bundeswehrsoldaten sind dort stationiert, um den so dünnhäutigen Frieden zu sichern. Sie sollen die Serben schützen vor den vertriebenen Albanern, die allmählich zurückkehren. Oft mit Rachegefühlen. „Doch damit sind die so jungen Männer aus dem behüteten Deutschland mit einer Situation konfrontiert, die sie überfordert. Sie wollen zwar helfen, aber nicht jeder will sich helfen lassen“, erzählt Susanne Bormann bei einem Kaffee kurz vor ihrer Abreise nach Marokko.
Zwei dieser Soldaten (gespielt von Max Riemelt und Adrian Topol) retten der jungen Serbin das Leben, als sie auf dem Marktplatz angeschossen wird. Mirjana glaubt, dass es Zufall gewesen ist. Doch allmählich wird ihr klar, dass der kleineAlbanerjunge mit diesem Attentat Rache üben wollte: für den Tod an seinen Eltern. Und die hat Mirjanas Vater auf dem Gewissen. „Für die junge Frau stürzt damit eine Welt zusammen, denn für sie gab es keinen Zweifel daran, dass ihre Familie nichts mit den Massakern an den Albanern zu tun hatte. Wie geht man damit um, wenn die Eltern plötzlich Verbrecher sind?“
Susanne Bormann tauchte während ihrer Rollenrecherche auch in die serbische Vergangenheit ein: „Ich habe einen Mitarbeiter der Botschaft, der für die deutschen Bundeswehrsoldaten zuständig ist, befragt. Er erzählte mir von der besonderen Mentalität des stolzen und auch sturen Volkes der Serben, von ihrem großen Heldenkult und von der Schlacht am Amselfeld vor 800 Jahren, bei der die Serben von den Osmanen besiegt wurden. Aus dieser verlorenen Schlacht begründen sie ihren Opferkult, der von Generation zu Generation weiter gegeben wird. Sie sehen sich immer als Opfer und nie als Aggressoren.“ Der Film ergreife indes keine Partei, zeige nur die Problematik.
Gedreht wurde allerdings nicht im Kosovo, sondern im sichereren Sarajevo. „Zwei Monate war ich dort, und ich erlebte, dass in dieser Region die Serben und Bosnier wirklich miteinander klar kommen wollen. Die Leute sind sehr offen und warmherzig, und die Bosnier leben einen friedlichen und toleranten Islam. Es wird viel gefeiert und getanzt. Und ich habe nie jemanden klagen gehört, über die vielen unbeschreiblichen Dinge, die ihnen während des zehnjährigen Krieges passiert sind. Das Leid gehört für sie dazu. So ist die bosnische Mentalität. Selbst in den Kinderliedern spiegelt sich das wider.“ Sie selbst singt während des Films das Lied vom kleinen Hasen, der immer am Bach spielen geht. Plötzlich ist der Bach vereist und er erkennt ihn nicht wieder. Er ist traurig und weint, doch am Ende sagt sich der Hase: Dann ziehe ich eben weiter, wie die Schwalben. Das Rätsel des Flusses bleibt unaufgeklärt. Kein Happyend.
Für Susanne Bormann war das Drehen inmitten der durchsiebten Häuser eine emotional sehr aufrührende Zeit. Und durch die engen Kontakte mit bosnischen Teamkollegen erfuhr sie auch etwas von deren Enttäuschung. „Während die Kroaten in die EU reisen dürfen, bleibt den Bosniern dies verwehrt. Sie fühlen sich von Europa nicht gewollt, was wiederum die Eintrittspforte für radikales Denken ist.“
Obwohl Susanne Bormann bereits sehr filmerfahren ist – sie stand mit neun Jahren das erste Mal vor der Kamera – sei die Figur Mirjanas, „die anfangs nicht nur sympathisch ist“, für sie etwas Besonderes gewesen. „Und die ersten Filmgespräche haben gezeigt, dass wir auch das Publikum mit unserer Arbeit fesseln können. Viele Zuschauer kamen persönlich auf mich zu, konnten den Film nicht gleich ablegen.“ Im Feuilleton sei er indes nicht so gut weggekommen, als zu kommerziell kritisiert worden. „Für mich ist er spannend und emotional aufwühlend, etwas weniger Filmmusik wäre mir aber auch lieber gewesen.“
Doch die 28-jährige Grimme-Preisträgerin wird sich nicht allzu lange in ihren Gedanken bei diesem Film aufhalten können. Sie stürzt sich derzeit von einem Projekt ins nächste. Gerade war sie in „Gegenüber“, dem Porträt über eine unheilvolle Beziehung, zu sehen, der auch in Cannes erfolgreich war. Im April kommt „Fleisch ist mein Gemüse“ heraus, der die autobiografisch angelegte Geschichte des Entertainers und Komikers Heinz Strunk erzählt. „Alles spannende Stoffe. Ich habe im Moment wirklich Glück. Zwar bekomme ich auch viel ,Schmus“ angeboten, aber den kann ich ablehnen.“ Vorbei sei auch die Zeit, in der sie immer nur die bösen Mädchen gespielt habe.
Während ihres Theaterstudiums in Rostock habe sie im geschützten Raum lernen können, möglichst mutig zu sein und auch mal daneben zu greifen. „Dadurch kann ich mir Figuren besser konstruieren, meine Vielschichtigkeit bewusster wahrnehmen. Auch in puncto Präsenz half es mir.“ Ihr einjähriges Engagement am Nürnberger Theater habe ihr aber auch gezeigt, dass der Film ihr Zuhause ist. „Dort kann ich mit tollen Leuten arbeiten, was ich mir beim Theater noch erkämpfen muss. Außerdem mag ich es nicht, zwei Sachen parallel zu denken: Morgens probt man das eine Stück, abends spielt man ein anderes. Da verfällt man schnell in Routine. Aber das Schauspielen ist kein Beruf mit Aktentasche.“ Für sie sei es eine Reise in eine andere Zeit und in eine andere Gedankenwelt. Eben immer etwas Neues. „Mal sehen, ob ich das am Ende der Langzeitstudie immer noch so sehe.“
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