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Kultur: Kein Glatteis

Hans Scheibner gastierte im Obelisk

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Als Hans Scheibner am Donnerstag, gleich mitten im Redeschwall, die Bühne des Obelisk-Kabaretts betritt, glaubt er angesichts der nur gut 40 Gäste, die sich eingefunden haben, eine Familienvorstellung zu geben. Zwanzig Jahre sei sein letzter Auftritt in Potsdam nun schon her, ulkt er unbeirrt und heiter, mit der Zeit blieben halt nur noch die Experten übrig, womit er ein Publikum adelt, das tatsächlich für seine gute Laune ein Kompliment verdient. Den Hamburger Kabarettisten zu loben fällt dagegen schon schwerer. So sympathisch er mit seinem Kugelbauch und seinen zerzausten Haaren dasteht und so freundlich er mit seinen Augen funkelt, seinem an diesem Abend dargebotenen Programm „Glatteis“ fehlt eindeutig das Feuer, der Biss, die Frische.

Dabei trifft Scheibner, der in den 80er Jahren durch eine eigene Satiresendung beim NDR einen großen Bekanntheitsgrad genoss und bis heute zahlreiche Kolumnenbändchen veröffentlicht hat, mit seinen Seitenhieben auf Politik und Gesellschaft durchaus öfters ins Schwarze. Meist aus dem Stegreif teilt er aus, gibt er dem in neue Autokennzeichen vernarrten Verkehrsminister Ramsauer die Schuld an der Berliner Flughafenmisere, entlarvt er die Beschneidungsdebatte in ihrer Aufgeblasenheit, haut er putzige Witze raus über Seepferdchenfleisch in Fischstäbchen und das Glück, in seiner Lasagne ein Hufeisen zu finden oder macht er sich über Feng Shui als „transzendentale Tupperdosenparty“ lustig und empfiehlt balinesische Harmoniekugeln gegen Durchfall. Ganz lustig sind auch die Geschichten über seinen Hund Willy, mit dem er täglich aus purer Bosheit über die sorgsam gezogenen Harkenfurchen seines Nachbarn trampelt oder über die Beziehung zu seinem PC, der sich wie ein bockiger Pubertierender benimmt. Selbst das etwas grölend gesungene Lied über den armen Peer Steinbrück, den man für seine Bürgerbesuche bedauern sollte, lüde zum Schmunzeln ein, wäre da nicht diese offenbar mit dem Heimkeyboard gespielte Leierkastenmelodie vom Band, die in schwachen Variationen fortan auch noch jedes weitere Liedgut begleitet.

Gänzlich farblos aber plätschern Geschichten dahin, die etwa von pensionierten freizeitüberdrüssigen Geschäftsführern, von auf dem Bahnsteig vergessenen Koffern oder wahnsinnigen Strompreiserhöhungen handeln. Und wenn Scheibner dann noch über die Kunst des Stöhnens berichtet, doch seine Frau Susi nur über die Warteschlange an der Supermarktkasse stöhnt, wenn er mit rhythmischem Gejaule die Schwangerschaftsvorbereitungskurse für werdende Väter demonstriert und einen schier ewig sich hinziehenden Witz über das Küssen und den Sex in einer katholischen Ehe zum Besten gibt, bis das Publikum endlich erlösenden Beifall spendet. So bleibt der Abend zu mild für Glatteisgefahr. Charmant ist nur Scheibners Selbstironie, der Humor eines 76-Jährigen, der seiner Nachbarin ein Kind machen will, damit Deutschland nicht ausstirbt, der Schalk beim Imitieren eines Rentnerehepaars, das sich über Bordellbesuche unterhält. Doch als nach knapp zwei Stunden die scharfzüngigen Frechheiten, die satirische Derbheit und die überraschenden Pointen ausgebliebenen sind, wünscht man sich die Abende wieder, an denen dieser Saal sonst vor Begeisterung überkocht. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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