Kultur: Keine Freunde leichter Melodien
Die Potsdamer Band Cyness bricht morgen zur großen US-Tour auf
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Morgen beginnt ihre große Fahrt: Die Potsdamer Band Cyness geht auf Tour durch die USA. Auf welchen Sound sich die Amerikaner einstellen dürfen, konnten sich bereits am Montagabend die Leute anhören, die ab 22 Uhr den Weg ins Archiv in der Leipziger Straße fanden: Der Club bebte geradezu in seinen Grundmauern, denn Cyness sind keine Freunde der leichten Melodien.
Grindcore heißt ihr Stil, den ihr Sänger Marian, alias „L...i“, als schnelle Version klassischer Punk-Rock-Musik bezeichnet. Die Wirklichkeit klingt allerdings anders: Für ungeübte Ohren dürfte ihr Sound als Weiterführung schlimmen Baustellenlärms eingeordnet werden, nur mit anderen Mitteln gespielt. Denn Grindcore der Marke Cyness lebt von ekstatischem Schlagzeug-Geballer, wild sägenden Gitarren, melodischem Chaos, drückenden Riffs und der Stimme von „L...i“, der markerschütternd ins Mikro röhrt. Tief aus dem Bauch heraus kommt dieses Gebrüll. Dazu stürmt der Frontmann, ein Hüne, wie wild geworden über die Bühne, das hin und her schwenkende Mikro wirkt wie ein Spielzeug in seinen muskulösen Armen. „Zu solcher Musik kann ich eben nicht stillhalten“, so der 30-Jährige nach dem Konzert im Archiv.
Als Vorbereitung auf die kommende Tour ist das Konzert gedacht. Rund 20 Auftritte haben Cyness in den USA geplant. In Texas beginnt das Quintett, weiter geht es über Kalifornien nach Seattle über Nebraska nach Iowa zurück nach Texas. Am 9. August ist das letzte Konzert. Viel Fahrerei, „wahrscheinlich viel zu viel“, glaubt der Frontmann .
Für Cyness ist die Tour durch die Staaten – die befreundete US-Band P.L.F. hat sie zu der Rundreise eingeladen – der Höhepunkt ihrer Geschichte als Band, die vor etwa sieben Jahre begann. Seither haben sie zwei Alben aufgenommen: „Loony Planet/ Industreality“ und „Our Funeral Oration for the Human Race“.
Schon die Namen der Titel zeigen die Ausrichtung, die auch viele andere Bands im Grindcore-Genre besitzen. „Unsere Texte sollen auch gesellschaftskritisch sein, weil dies zu unserer wütenden Musik passt“, sagt Marian. Und so heißt im Archiv ein Song von Cyness eben „Nazis rein“. Die Fans vor der Bühne gröhlen. Einer schreit: „ in den Knast.“ Der Frontmann auf der Bühne grinst: „Wohin sollen die Nazis denn auch sonst?!“ Wieder versinkt der Raum im Lärminferno. Henri Kramer
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