Kultur: Keine Garantie für Lebensglück
Konzert in St. Nikolai mit Haydn-Musik und Ansprache von Österreichs Botschafter
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Konzert in St. Nikolai mit Haydn-Musik und Ansprache von Österreichs Botschafter Mit der Nikolaikirche wird der „Vorwende“-Potsdamer die friedliche Revolution 1989, die zur deutschen Einheit ein gutes Jahr später führte, kaum verbinden, eher schon mit der Friedrichskirche auf dem Babelsberger Weberplatz. Denn dort fanden wochenlang die Bürger-Proteste gegen die DDR-Diktatur statt. Aber nach 1990 wurde es in diesem Gotteshaus in Sachen politischer Auseinandersetzung stiller. Wogegen sollte man protestieren? Die Nikolaikirche in Potsdams Mitte nahm vor acht Jahren den Tag der deutschen Einheit zum Anlass, ihn mit einem Konzert festlich zu begehen. Seitdem gab es in jedem Jahr musikalische Festveranstaltungen. Konnte man in der Friedrichskirche die Veranstaltungen ohne Einladungen besuchen, wird man nun in St. Nikolai angewiesen, dass, wer ohne schriftliche Einladung komme, das Konzert nur auf der Empore erleben dürfe. Wer gestern dann überzeugt war, an dem einzigen Festkonzert dieses Feiertages in Deutschland – so das Programmheft – teilzunehmen, der wurde enttäuscht. In der Nachbarstadt Potsdams, in Brandenburg an der Havel, fand gestern im Dom ebenfalls ein Festkonzert statt. Das Konzert, das vom Bonn-Club Potsdam und von Musik an St. Nikolai am Sonntag organisiert wurde, hielt zwei sehr beeindruckende Stunden parat, wenn man von der solide, doch ohne Höhepunkte musizierten Sinfonie Nr. 43 von Joseph Haydn, absieht. Nikolaikantor Björn O. Wiede hat diesmal den Zeitgenossen Mozarts in den Mittelpunkt gestellt. Es wurde so manchem Zuhörer bewusst, dass in Haydns Oeuvre hierzulande noch so mancherlei Entdeckungen harren. Auch die Missa Sancti Nicolai in G-Dur, die Nicolai-Messe, ist zwar in Österreich ein oft zu hörendes Werk, doch im Brandenburgischen wird sie, wie fast alle Messen Haydns, gemieden. Der Komponist, der beim Fürsten Nikolaus Joseph Esterhazy Eisenstadt angestellt war, schrieb diese Messe 1772 anlässlich des Namenstages seines Brotherrn. Auch in dieser Musik ist zu spüren, dass Haydns geistliche Andacht nicht von der düsteren, büßenden Art war, sondern heiter, ausgesöhnt, vertrauend. Die Nikolai-Messe ist in ihrem Grundcharakter pastoral und innig. Wiede hat sie plastisch, fern aller Nettigkeit und Idyllik interpretiert. Dazu standen ihm ein sorgfältig musizierendes Concerto Brandenburg, ein Orchester, das auf historischen Instrumenten spielt, sowie ein homogen singendes Solistenquartett mit Silvia Weiss, Sopran, Sibylle Jung, Alt, Markus Sandmann, Tenor, und Andreas Jäpel, Bass, zur Verfügung. Auch der Nikolaichor überzeugte mit seinem natürlichen und nie forcierten Singen. Eine schöne musikalische Leistung. Dafür gab es den herzlichen Beifall des Auditoriums. Ein solcher fiel auch dem Botschafter Österreichs in Deutschland, Christian Prosl, zu. Er erinnerte in seiner Festansprache daran, dass Ungarn und Österreich im Jahre 1989 – noch vor dem Mauerfall – die Grüne Grenze errichteten, die in drei Tagen von 15 000 DDR-Bürgern überschritten wurde. Mit dem 9. November 1989 sei auch ein erster Schritt zur Teilung Europas unternommen worden. Doch 1990 wurden überzogene Erwartungen an „blühende Landschaften“ in Ostdeutschland formuliert. „Sie wurden nicht erreicht. Man hätte bei dem Prozess der Wiedervereinigung einiges anders und besser machen können“, so der Botschafter. „Doch eine Globalgarantie für das Lebensglück wird es nicht geben.“ Und: „Es kann nicht über Nacht etwas zusammenwachsen, was 40 Jahre voneinander getrennt war.“
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