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Inmitten ihrer Künstler: Ursula und Rainer Sperl flankiert von Selbstporträts, u.a. von den drei Köpfen Hans Hendrik Grimmlings (hinten), von Hans Scheuerecker, Stephan Velten und Alexander Gutsche (v.l.)

© Andreas Klaer

Von Heidi Jäger: Keiner ließ sich einschüchtern

20 Jahre Sperl Galerie: Am Sonntag öffnet die Jubiläumsschau mit Selbstporträts

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Gesicht zeigen. Das nehmen Ursula und Rainer Sperl wörtlich, wenn sie auf 20 Jahre Galeriebetrieb zurückschauen. In ihrer am Sonntag beginnenden Jubiläumsausstellung sind die Selbstporträts von über 20 Künstlern zu sehen, die ihnen über die Jahre die Treue gehalten haben oder als Neuentdeckung gerade dazugestoßen sind. Denn Bewegung muss sein. Das ist für die Sperls keine Frage. Sie zogen mehrmals um die Ecke, um jetzt wieder an neuem Standort für sich und ihre Künstler zu werben. Denn natürlich sind sie Makler, die mit der „Ware“ Kunst Geld verdienen. Für sich und für ihre Künstler.

Einer von ihnen kommt gerade mit drei Selbstbildnissen in die Galerie, wo noch kräftig Hand angelegt wird, um alle Bildnisse in den richtigen Dialog treten zu lassen, ohne dass sie sich überschreien oder zu leise sind. Stephan Veltens Selbstbildnisse gehören zu den sprachgewaltigsten Reflexionen und machen zutiefst betroffen. Er lässt unter einer feinädrig-roten „Kriegsbemalung“ tief in sich hineinblicken, in seine verwundbare Künstlerseele. „Paria“, so der Titel seiner Arbeit, heißt Außenseiter, Ausgestoßener. Und so fühlt er sich oft in seiner Heimatstadt, in Potsdam, wo die Zugezogenen immer mehr den Ton angeben. Und wo die Malerei oft als „brotlose Kunst“ abgetan wird, wie er sagt. „Dabei müssen wir für sehr wenig Geld viel arbeiten und das bisschen, was wir verdienen, wieder in Arbeit investieren.“

Für ihn waren die Sperls immer wichtig. „Was nach der Wende auseinanderflog, haben sie zusammengehalten. Stück für Stück entwickelten sie sich über die Stadt hinaus, holten auch Kollegen aus anderen Bundesländern nach Potsdam. Ein wichtiger Integrationsprozess.“ So wie alle anderen ausstellenden Künstler malte auch Velten seine Selbstbildnisse speziell für diese Schau. „Erst war ich ja ein bisschen sauer, aber wenn die Chefs etwas sagen, dann wird es gemacht“, meint er schmunzelnd. Und räumt ein: „Wir alle arbeiten frei, warum nicht auch mal nach einem vorgegebenen Thema. Es hat sich ja keiner einschüchtern lassen.“

Fürwahr: Es ist eine sehr wilde, selbstbewusste Mischung an Eigensichten entstanden. Und auch die, die bislang völlig unerfahren im Selbstporträt waren, fanden interessante Lösungen, wie Hans Hendrik Grimmling mit seinen riesigen schwarz-weißen Gesichtslandschaften.

Auch Potsdam spielt oft mit hinein in die Porträts, wie in Matthias Körners Schattenriss des Holländischen Viertels mit ihm selbst als Suchbild in der kleinsten Ecke oder Lothar Krones „Noch tragen wir der Erde Kleid“, in dem Potsdams alte Mitte aus seinem Hinterkopf herausragt. „Wir wollten in unserer Jubiläumsausstellung nicht so sehr uns, sondern die Künstler vorstellen. Denn wir können nur feiern, weil sie uns treu geblieben sind“, sagt Rainer Sperl. Der Galerist kann mittlerweile auf etwa 160 Ausstellungen verweisen. „Uns macht es Spaß, zu verfolgen, wie sich Künstler über die Jahre entwickeln.“ Und wenn bei manchem der künstlerische Weg in einer Sackgasse endet, wird sich auch voneinander getrennt. Oft ist es eine Hassliebe zwischen Künstler und Galerist, doch ohne Vermarktung ist kein Kunstacker zu bestellen, lässt sich geistige Kreativität nicht ummünzen. Rainer Sperl weiß bestens um diesen Zwiespalt, schließlich ist er nicht nur Galerist, sondern selbst auch Künstler. Er reiht sich ein in die Schar der schrägen, bunten Vögel, die in dieser Jubiläumsschau ihre Flügel selbstbetrachtend entfalten. Er selbst nennt seine Terrakotta-Selbstporträt-Plastik „Ich mit Vogel“. „Das passt“, sagte seine Frau Ursula, die wohl gerade diese Verrücktheit, diesen humorvollen Widerstand ihres Mannes so mag. Auch sie ist in Kunst „gegossen“, in einem Relief, das flankiert wird von einer kleinen Zuckerdose, gefüllt mit echten Bonbons und einem, aus dem das Antlitz Rainer Sperls herauslugt: „Uschis Süßigkeitsdose“ zum Reinfassen, sagt der Schalk Rainer Sperl.

Seine Frau ist die gute Seele der Galerie. Sie musste schon mehrmals ihre Gefühle wechseln, um sich auf einen neuen Ort einzulassen. „Nach dem Auszug aus der Mittelstraße habe ich 14 Tage geheult und dann ein Häkchen dahinter gemacht. Dann war ich neugierig auf das Nächste.“ Die Mittelstraße 30, die sie mit viel Kraft eigenhändig ausbauten, sei am Ende keine Herausforderung mehr gewesen. „Man wusste immer schon ganz genau, wo welches Bild seinen Platz findet“, schaut Rainer Sperl ohne Nostalgie zurück. „Der Zeitpunkt des Wechsels war gut, denn die Situation im Holländischen Viertel wird nicht besser durch die ständige Fluktuation.“ Ihre aufwendig organisierten Kunstprojekte bleiben indes unvergessen, wie die „Offenen Türen“, in denen Künstler 25 Tür-Fundstücke aus Abrisshäusern eigenwillig bearbeiteten und open air präsentierten. Oder die „10 aus Europa für Potsdam“, die 1993 an ausgewählten Plätzen der Stadt ihre Plastiken aufstellten, von denen sich fünf bis heute behaupten können: Eine Idee der Sperls – aus dem Holländischen Viertel heraus geboren. Nach 18 Jahren wechselten die Galeristen den Standort, nicht ganz freiwillig. Der Druck einer kräftigen Mietanhebung lastete auf ihnen. „Doch gejammert wird nicht“, sagt Ursula Sperl. Sie fanden für ein gutes Jahr die „grandiosen Räume“ in der ehemaligen Humboldt-Buchhandlung und konnten den ausladenden Maßen der Leinwände eines Hans Scheuereckers, Hans Hendrik Grimmlings und sogar dem „Grübelzwang“ mit rund 380 Bildern von Dieter Zimmermann gerecht werden.

Und wie fühlen sie sich nun in ihrer neuen Galerie am Nikolaisaal? Uschi Sperl sagt sofort: „Kuschlig. Ich habe mich gleich wohlgefühlt.“ Rainer Sperl ist etwas verhaltener. „Wir sind erst ein halbes Jahr hier und müssen es noch schaffen, die Leute die Treppe zu uns hoch zu kriegen. Wir haben einen Zwei-Jahres-Vertrag. Danach sehen wir weiter. Die Hebbelstraße 1 geben wir nicht auf“, sagt er im Kämpferton. Schließlich bemüht er sich schon seit Jahren um diesen Standort. Doch ihre neue Adresse sehen die beiden nicht als Zwischenstation, auch wenn sie nicht alles zulässt. „Wir können uns ja zwischendurch auch größere Räume mieten, um beispielsweise einen Giganten wie Scheuerecker zu seinem 60. Geburtstag zu würdigen.“ Und schon hat er eine Adresse in petto: das „Schaufenster“ der Fachhochschule. Und wo sehen sich die Sperls in 20 Jahren? „Vielleicht im Landtag, da hätten wir viel Platz. Oder aber in einem Goldenen Ei mitten in der Stadt. Vielleicht gibt es ja mal einen Plattner, der eine Million in ein Ei setzt – und nicht in ein Schloss“. Bei aller Ironie – genau weiß man nie, wie viel Ernsthaftigkeit in den Worten Rainer Sperls steckt. Schließlich wird sein Gesicht nicht umsonst von einem Vogel bekränzt.

20 Jahre Sperl Galerie „Selbstporträts“, Eröffnung 4. April, 14 Uhr, Wilhelm-Staab-Straße 10/11. Es erscheint ein Katalog, 10 Euro zur Vernissage

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